02_In einem anderen Buch
wissen. Auf
dem unkrautüberwucherten Kiesweg parkten gleich mehrere
große Aufnahmewagen des Fernsehens. Dutzende von Antennen waren in den Himmel gerichtet und sendeten ihre Bilder zu
dem kleinen Luftschiff hinauf, das als Relaisstation über dem
Schloss schwebte und die Geschichte live in die Welt hinausschickte. SpecOps-14 musste als Sicherheitsdienst herhalten.
Überall standen Kollegen herum und schwatzten gelangweilt,
allerdings, wie ich zugeben muss, meistens über die unzüchtigen Bilder von Aubrey Jambe und seinem Schimpansen.
»Hallo, Thursday!« sagte ein gutaussehender junger SpecOps-14-Agent, der den Eingang bewachte. Peinlicherweise hatte
ich keine Ahnung, woher er mich kannte. Vom Fernsehen?
Oder steckte mehr dahinter? Seit Landen genichtet worden war,
passierte es dauernd, dass mich Leute freundschaftlich anredeten, die mir völlig unbekannt schienen. Ich musste mich wohl
daran gewöhnen.
»Hallo!« sagte ich zu dem niedlichen Fremdling. »Was ist
denn hier los?«
»Yorrick Kaine gibt eine Pressekonferenz.«
»Ach«, sagte ich, plötzlich misstrauisch geworden. »Was hat
der denn mit Cardenio zu tun?«
»Ja, hast du das denn noch nicht gehört? Lord Volescamper
hat ihm das Stück geschenkt. Ihm und seiner Partei.«
»Aber warum sollte er so etwas tun?« fragte ich entsetzt,
denn ich ahnte, was für ein scheußlicher politischer Skandal uns
bevorstand. »Warum sollte sich ein angesehener Mann wie
Lord Volescamper mit einem rechtsradikalen Trommler,
Kriegstreiber und Waliserfresser wie Kaine und seiner WhigPartei einlassen?«
Der SpecOps-14-Agent zuckte die Achseln. »Weil er ein Adliger ist und seine alten Privilegien zurückhaben will? Leibeigenschaft? Ius primae noctis?«
In diesem Augenblick kamen zwei andere SpecOps-Leute aus
dem Haus und nickten dem jungen Mann zu. »Alles in Ordnung, Miles?«
Das bestätigte er. Aber was mich betraf, so irrte er sich gewaltig. Für mich war überhaupt nichts in Ordnung. Das also war
der bewusste Miles Hawke! Ich hatte zwar geahnt, dass ich ihm
irgendwann über den Weg laufen würde, aber ich hatte nicht
gedacht, dass ich so unvorbereitet sein würde. Ich starrte ihn an,
in der verzweifelten Hoffnung, dass mein Schrecken und meine
Überraschung sich nicht äußerlich zeigten. Der Kerl war in
meiner Wohnung gewesen, kannte mich vielleicht in-und
auswendig und wusste sehr viel mehr über mich als ich über
ihn. Mein Herz schlug wie rasend in meiner Brust. Ich versuchte irgendwas Witziges und Intelligentes zu sagen, aber was
herauskam, klang mehr wie:
»Asterfobulongus?«
Er sah verwirrt aus und beugte sich leicht nach vorn. »Entschuldigung, was hast du gerade gesagt?«
»Ach, nichts.«
»Du warst am Telefon schon so komisch. Stimmt irgendwas
nicht? Gibt es Probleme mit unserem … Arrangement?«
Ich starrte ihn zwei Sekunden lang wie betäubt an, ehe ich
murmelte: »Nein, nein – alles in Ordnung.«
»Gut!« sagte er enthusiastisch. »Wir müssen bald wieder einen Termin ausmachen.«
»Ja«, sagte ich in vollautomatischer Panik. »Ja, unbedingt. Ich
muss weiter – tschüs!«
Ich rannte davon, ehe er noch irgendwas sagte. Erst vor der
Tür zur Volescamperschen Bibliothek blieb ich stehen, um
Atem zu holen. Früher oder später würde ich den jungen Mann
ganz direkt fragen müssen, was mit ihm und mir los war. Aber
ich beschloss, dass früher mir nicht so lieb war wie später, und
so ging ich durch die streng bewachten Stahltüren in die mit
Dutzenden von Journalisten gefüllte Bibliothek. Yorrick Kaine
und Lord Volescamper saßen hinter einem Tisch, vor ihnen lag
das Manuskript in einer kugelsicheren Vitrine, bewacht von Mr
Swaike und zwei bulligen Wachmännern. Die Pressekonferenz
war schon fast vorbei, und ich tippte Lydia Startright – die
zufällig neben mir saß – an den Arm.
»Hey, Lydia!« flüsterte ich.
»Hey, Thursday«, erwiderte die Journalistin. »Ich habe gehört, Sie haben als Erste bestätigt, dass es der echte Cardenio
sein könnte. Ist das richtig? Taugt es was?«
»Es ist wunderbar«, sagte ich. »Ungefähr so gut wie der
Sturm. Was geht denn hier vor?«
»Volescamper hat gerade offiziell bekannt gegeben, dass er
das Stück Yorrick Kaine und den Whigs schenken will.«
»Aber warum?«
»Wer weiß? Warten Sie, ich will eine Frage stellen.« Lydia
hob die Hand, und Kaine nickte ihr zu.
»Mr Kaine«, sagte sie, »was beabsichtigen Sie mit dem Manuskript zu tun? Es heißt, dass
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