02 Jesses Maria: Wechseljahre
Verkehrsübungsplatz. Als ich so durch die Reihen schlenderte, sah ich plötzlich auf einem der Tapeziertische Babydolls mit Rüschen liegen. Rosa, bleu, weiß. Daneben meine Puschelschlappen. Ich hab meine Sachen sofort erkannt.
Hinter dem Tisch standen die Kinder von Pastor Geldmacher. Sie verkauften Schuhkartons mit Legosteinen, Geschirr, Seidenblumengestecke, Window-Colours und meine Babydolls. So eine kriminelle Bagage. Mann, war ich sauer! Aber ich konnte doch nix sagen. Ich konnte doch nicht laut sagen, dass die Bande meine Reizwäsche im Rotkreuzsack geklaut hatte, aber seit dem Tag wusste ich Bescheid. Beim Martinssingen hab ich denen seitdem immer nur taube Nüsse und matschige Klementinen in die Tüten getan.
Aber ich wollte ja von Manni erzählen.
Er ist mit seiner Heike-Ulrike nicht zusammengeblieben. Nach zwei oder drei Jahren war Schluss. Eva Hansmeier erzählte, Tina Kracht aus der Kantstraße hätte gesagt, Heike-Ulrike wollte ein Kind. Die biologische Uhr tickte kurz vor dem Stillstand, denn Heike-Ulrike war Ende dreißig. Da hatte Manni aber gottseidank eine lichte Phase. Er hat ihr kein Kind gemacht. Ob das nun aus Vernunft war oder weil er wusste, dass er sich nach unserer Scheidung keinen weiteren lebenslangenUnterhalt mehr leisten konnte, entzieht sich jetzt meinem Wissen.
So, das war also noch mal gut gegangen, Trennung ohne Kind kostet ja nix. Und dann hatte Manni ganz zackig wieder eine Neue. Tina Kracht hat bei Eva Hansmeier im Lottoladen erzählt, dass Manni eine Frau im Internet kennengelernt hat. Ich muss mich da unbedingt auch mal drum kümmern, das scheint zu funktionieren, vielleicht ist da ja auch für mich was im Angebot.
Die Neue kommt aus Stemwede, das ist irgendwo in der Pampa. Kein Wunder, dass die Frauen auf dem Land im Internet nach Männern suchen, denn auf‘m Dorf ist ja männertechnisch nicht viel zu holen. Die paar Bauern, die da Single sind, finden ihre Bettgenossinnen bei RTL und lassen sich dabei gern filmen. Jedenfalls: Die Neue ist wohl ganz nett und soll so aussehen wie die Claudia Roth von den Grünen. In seinem Alter soll sie sein. Also viel älter als ich und wesentlich dicker. Ist ja auch egal.
Gestern war ich im Getränkemarkt Poppensieker. Ich hatte eine Kiste Wasser und eine Kiste Cola-Fanta gemischt gekauft und just alles ins Auto geladen, machte die Klappe zu, drehte mich zum leeren Einkaufswagen um und da stand er da.
Manni. Wir waren beide ein bisschen verlegen.
„Hi!“, sagte er und streckte mir die Hand hin.
Hab ich genommen, die Hand, ich bin kein nachtragender Mensch.
„Hi!“, hab ich geantwortet und ihn stickum gemustert.
Oben Glatze, hinten Kranz, aber jetzt ganz kurz. Der Zopf war ab. Tränensäcke. Hängende Augenlider. Blass.
Knubbelige Nase mit geplatzten Äderchen.
Zwei Kinne, eins davon schlabberte wie bei einem alten Hahn. Lange Ohrläppchen, große Ohren, irgendwie auffallend größer als früher, Fielmann-Brille.
Kariertes Hemd, Shirt drunter, Strickjacke drüber.
Jeans, gut geputzte Lederschuhe.
Altersflecken auf den Händen.
„Wie geht‘s denn so?“, fragte Manni.
„Danke. Und selbst?“, sagte ich.
„Och. Muss ja“, sagte er.
„Na denn“, sagte ich.
„Ja, genau“, sagte er.
„Was gibt‘s Neues?“, fragte ich.
„Och. Du. Man schlägt sich so durch“, sagte er.
„Was macht die Arbeit?“, fragte ich.
„Alles im grünen Bereich“, sagte er.
„Und sonst?“, fragte ich.
Er grinste: „Ich hab da ne neue Bekannte, mit der lebe ich jetzt zusammen.“
„Ne Bekannte, soso. Ne Fremde wär auch schlecht. Na denn, schönen Gruß zu Hause“, sagte ich.
„Ja, auch so“, sagte Manni.
Dann grinste er und ging zu seinem Auto. Dunkelblauer Passat-Kombi, älteres Modell. Blitzeblank. Kennzeichen MJ 55. Also wahrscheinlich sein Wagen, es sind seine Initialen und sein Geburtsjahr. Vorne am Spiegel baumelte eine Dufttanne, das sah ich, als er zurücksetzte und dann an mir vorbeifuhr.
Komisch, dachte ich. Da fährt dein Exmann, Vater deiner Kinder, Traum der frühen Jahre, im Kombiwagen mit Dufttanne an dir vorbei und was fühlst du?
Erleichterung.
Ich bin richtig froh, dass ich mit dem alten Sack nix mehr zu tun habe. Er ist ein komischer Mensch, ich hab das aber erst sehr spät gemerkt. Kurz nach unserer Scheidung passierte zum Beispiel folgendes:
Samstag. Zwanzig nach sieben. Morgens. Ich liege noch im Bett. Mein Telefon klingelt. Ich springe auf, gehe ran: „Ja, bitte?“
Es war Manni. Er
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