02 Jesses Maria: Wechseljahre
sagte: „Ja, ich bin es, hast du noch geschlafen?“
„Nein, ich bin grad wachgeworden, was ist passiert?“
„Wieso passiert?“
„Mensch Manni, wenn du so früh anrufst, dann denke ich, es ist was passiert!“
„Wieso, ich bin seit halb sechs auf!“
Und dann fragte er mich nach der Postleitzahl von Tante Wilma am Bodensee, weil er mit seiner Tussi da umsonst Urlaub machen wollte.
Der ändert sich nie. Jedenfalls innen nicht, aussen schon. Zwei Kinne, kein Arsch in der Schlotterhose, Riesenohren.
Vielleicht ist das von der Natur so gewollt, dass Männer im Alter größere Ohren kriegen, damit die Brille besser hält? Manni hatte graue Haare in den Nasenlöchern. Die waren früher schwarz. Dann hat er womöglich jetzt überall graue Haare. Oje.
Lebte ich immer noch mit Manni in einem Haus, hätter betreutes Wohnen und ich einen unfreiwilligen Nebenjob als Altenpflegerin. Nein, das hat die Natur sehr umsichtig eingerichtet, dass Männer sich eine Jüngere suchen, bevor sie schäbig werden und gestandenen Frauen nur noch Arbeit und Scherereien machen.
Da ist gehen kein Fehler.
Früher ist er mir fremdgegangen und heute hat er ne neue Bekannte.
Diesmal hat es das Schicksal richtig gut mit mir gemeint.
Weihnachten bei Uwe und Heidi
Dieses Jahr ist alles anders. Dieses Jahr gibt‘s keinen Gottesdienst am Heiligabend, ich mach keinen Braten und hab keinen Tannenbaum. Die Kinder sind wieder auf Ibiza. Sie verweigern sich dem „Feierstress und Konsumterror“. Wenn sie meinen.
Tamara feiert mit ihrem derzeitigen Bekannten auf einem Schiff. Viertausend Euro. Pro Nase. Aber ihr neuer Typ, er ist Banker, der hats ja. Da kam mir die Einladung von Uwe und Heidi Schalk grade passend.
Früher haben wir viel zusammen gefeiert, Manni und Uwe waren richtig gute Kumpels. Schalk‘s Kinder, die Zwillinge Kim und Kai, sind für ein Auslandsemester in Kopenhagen und können Weihnachten nicht nach Hause kommen.
Ich traf Heidi beim Einkaufen.
Sie erzählte, dass sie und Uwe Heiligabend alleine sind, und es standen uns beiden die Tränen in den Augen, als ich sagte. „Ich auch.“
So kam es zustande, dass sie mich einlud.
Ob Manni auch käme, hab ich natürlich gefragt. Das hätte mir noch gefehlt, dass ich mit meinem Geschiedenen und seiner neuen Tussi Weihnachten feiere.
„Keine Gefahr“, Heidi verstand meine Sorge sofort.
„Manni und Uwe haben sich im Sommer fürchterlich verkracht, als wir bei uns den Terrassengrill gebaut haben.“
Klar, ich wusste sofort Bescheid, denn mein Exgatte istgenauso ein Korinthenkacker wie Uwe und wenn von der Sorte zwei aufeinandertreffen, ist Holland in Not.
Um drei soll ich zum Kaffee da sein, abends gibt‘s Fondue und danach ist geselliges Beisammensein unterm Tannenbaum. Na, dann haben die wenigstens einen Baum. Weihnachten ohne Baum ist nix.
Wie lange war ich nicht mehr hier? Fünfzehn Jahre? Aber da hängen noch dieselben Gardinen. Die Jalousien sind halb runter, als wäre keiner zu Hause.
Heidi hat dieselben Klamotten an wie immer. Weiße Hosen, Sommer wie Winter, Turnschuhe und pastellfarbene Oberteile mit Stickerei vorne. Heute trägt sie rosa Nicki mit goldenen Bärchen. Die Bärchen haben karierte Baskenmützen auf. Das muss man mögen.
Heidi ist ordentlich dick geworden. Tamara würde sagen: „Timo.“ Das ist ihre Abkürzung für „Tittenmonster“.
Heidi nimmt immer noch rosa Lipgloss, aber sie hat ihn mehr auf den Zähnen als auf den Lippen.
Meine Güte, hier ist die Zeit stehengeblieben.
Das ist Uwes Elternhaus, Baujahr 1904. Ich glaube, sein Großvater ist schon in diesem Haus geboren. Wir haben als Kinder immer gesungen: „Leise rieselt der Kalk, bei Familie Schalk“. Weil das Haus so baufällig war.
Uwe und Heidi haben damals viel reingesteckt, als die Eltern tot und somit quasi aus dem Haus waren:
Laminat wurde ausgelegt, die Zimmerdecken mit weißen Styropor-Platten isoliert, die teure Küche eingebaut.Hier ist aber immer noch Einfachverglasung. Deshalb sind vielleicht die Jalousien runter. Heizkosten sparen? Es sieht aus wie immer.
Sogar die lila Teppiche und die Glitzertapete aus den Achtzigern hat sie noch. Und die dunkelblaue Küche mit der Arbeitsplatte in weinrot.
Da ist Uwe. Sieht aus, als säße der immer noch auf demselben Platz wie damals, als ich das letzte Mal hier war. Wie festgenagelt.
Jeans und Schlappen. Das macht man nicht. Wenn Besuch kommt, zieht man sich Schuhe an, wenigstens Schuhe, wenn schon kein gebügeltes Hemd
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