Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
daß seine Frau sich ein weiteres Jahr gegen Robert Gabriels ordinäre Aufdringlichkeiten würde wehren müssen? Sie war das schließlich seit mehr als zehn Jahren gewöhnt.
    Als ihre Garderobentür sich öffnete, drehte sich Joanna nicht um. Im Spiegel konnte sie den Raum überblicken. Und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, sie wußte, wer kam. Sie war schließlich seit zwanzig Jahren mit David verheiratet, sie kannte seinen Schritt, sie kannte jede seiner Bewegungen, das Rascheln seiner Kleider auf seiner Haut, wenn er sich ankleidete, das langsame Entspannen seiner Muskeln, wenn er sich zum Schlaf niederlegte.
    Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Sie griff nach Bürste und Haarnadeln, schob ihren Schminkkoffer zur Seite und begann ihr Haar zu bürsten, zählte die Bürstenstriche wie Schritte, die sie immer weiter von David Sydeham entfernten.
    Er sagte nichts, als er ins Zimmer trat. Er ging zur Chaiselongue, wie er das immer tat. Doch dieses Mal setzte er sich nicht. Und er sprach erst, als sie die Bürste auf den Tisch legte und sich mit ausdruckslosem Gesicht nach ihm umdrehte.
    »Mir wäre leichter, wenn ich nur wüßte, warum du es getan hast«, sagte er.

    Es war kurz vor sechs, als Helen an diesem Abend wieder zu St. James kam. Sie war entmutigt und enttäuscht. Nicht einmal die Platte mit den frischen Scones und den appetitlichen Brötchen, die in St. James' Arbeitszimmer wartete, konnte sie aufheitern.
    »Du siehst aus, als könntest du einen Sherry gebrauchen«, bemerkte St. James, nachdem sie Mantel und Handschuhe abgelegt hatte.
    Helen kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Notizbuch. »Wie recht du hast«, stimmte sie bedrückt zu.
    »Kein Glück?« fragte Deborah, die auf dem Sitzkissen rechts vom offenen Kamin saß und verstohlen Peach, den Dackel, fütterte, der freundlich wedelnd und mit erwartungsvollem Blick bei ihr stand. Alaska, die graue Katze, hatte sich auf einem Stapel Papiere mitten auf St. James' Schreibtisch zusammengerollt und öffnete nur einmal kurz die Augen, al!Helen hereinkam.
    »Nein, das ist es eigentlich nicht«, antwortete sie und nahm dankbar das Glas entgegen, das St. James ihr brachte. »Ich habe die Informationen, die wir haben wollten. Aber -«
    »Aber Rhys nützen sie nichts«, vermutete St. James.
    Sie lächelte ihn kurz au, aber es war ein trübes Lächeln, das wußte sie. Seine Worte trafen sie, und an dem Gefühl tiefer Niedergeschlagenheit, das sie plötzlich mit Gewalt überfiel, merkte sie, wie sehr sie sich darauf verlassen hatte, daß das Gespräch mit Lord Stinhursts Sekretärin allen Verdacht gegen Rhys entkräften würde. »Nein, sie helfen Rhys nicht. Sie helfen leider überhaupt nicht.«
    »Erzähl!« sagte St. James.
    Es gab kaum etwas zu erzählen. Sobald Stinhursts Sekretärin erfaßt hatte, daß ihre Auskünfte möglicherweise zu seiner Entlastung beitragen konnten, hatte sie bereitwillig über die Telefongespräche berichtet, die sie in Stinhursts Auftrag geführt hatte. Sie hatte ganz offen mit Helen gesprochen und war sogar soweit gegangen, den Block hervorzuholen, auf dem sie sich die Nachrichten notiert hatte, die Lord Stinhurst ihr diktiert hatte. »Ich bin wegen eines Unfalls in Schottland aufgehalten und werde mich melden, sobald ich wieder zurück bin.«
    Nur in einem Fall lautete die Nachricht, die er sie zu übermitteln gebeten hatte, anders, aber wenn sie auch entschieden seltsam klang, so hatte sie doch nichts Verdächtiges. »Wiederkehr zwingt mich, Ihnen diesen Monat ein zweites Mal abzusagen. Tut mir schrecklich leid. Rufen Sie mich in Westerbrae an, wenn es dadurch ein Problem gibt.«
    »Wiederkehr?« wiederholt St. James fragend. »Eine merkwürdige Formulierung. Bist du ganz sicher, daß du das richtig gehört hast, Helen?«
    »Absolut. Stinhursts Sekretärin hatte es ja aufgeschrieben.«
    St. James ließ sich in seinem Sessel nieder, und Deborah rückte auf dem großen alten Kissen ein wenig zur Seite, damit er sein Bein hochlegen konnte. »An wen ging diese letzte Nachricht, Helen?«
    Sie warf einen Blick auf ihre Notizen. »Sir Kenneth Willingate.«
    »Ein Freund? Ein Kollege?«
    »Da bin ich mir nicht ganz sicher.« Helen zögerte. Nach einem Augenblick des Nachdenkens fuhr sie fort: »Aber dieser letzte Anruf fiel aus dem Rahmen. Verstehst du, bei allen anderen Gesprächen, die die Sekretärin führte, ging es darum, Termine abzusagen, die sie für Stinhurst in den nächsten Tagen vereinbart hatte. Aber ich frage

Weitere Kostenlose Bücher