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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Davies-Jones stand an der Glastür, durch die das Licht auf einen kleinen verschneiten Balkon fiel. Er drehte sich um, als Helen hereinkam.
    »Sie haben Stinhurst fast den ganzen Tag im Yard vernommen, Helen«, sagte er mit gerunzelter Stirn.
    Sie blieb an der Tür stehen. »Ja, ich weiß.«
    »Glauben sie im Ernst - ich kann mir das nicht vorstellen, Helen. Ich kenne Stuart seit Jahren. Ausgeschlossen, daß er -«
    »Aber du kennst doch diese Leute alle seit Jahren, Rhys«, unterbrach sie ihn und ging rasch auf ihn zu. »Einer von ihnen hat Joy Sinclair getötet. Einer von ihnen hat Gowan getötet.«
    »Aber Stuart? Nein. Ich kann mir nicht - Lieber Gott, warum denn?« fragte er heftig.
    Er stand im Schatten des Raumes, der nur von einer Stehlampe erleuchtet war, so daß sie ihn nicht klar sehen konnte; aber sie hörte den beschwörenden Ton in seiner Stimme, das Flehen um Vertrauen. Und sie vertraute ihm - das wußte sie. Dennoch unterließ sie es, ihn in die Details über Stinhursts Familie einzuweihen. Hätte sie es getan, so hätte sie damit Lynley bloßgestellt, ihn eindeutig des Irrtums und der Voreingenommenheit überführt, und das konnte sie nicht. Zu lange war sie mit ihm befreundet gewesen - auch wenn diese Freundschaft jetzt vielleicht zu Ende war -, um ihn dem Spott oder der Verachtung eines anderen preiszugeben, ob er das nun verdient hatte oder nicht.
    »Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht«, sagte sie offen und legte ihm die Hand auf den Arm. »Tommy weiß, daß du unschuldig bist. Ich habe es immer gewußt. Und jetzt sind wir zusammen. Alles andere ist doch unwichtig!«
    Sie spürte die Veränderung, die in ihm vorging, während sie sprach. Seine Anspannung löste sich. Er zog sie in die Arme, sein Gesicht wurde weich, erwärmte sich mit seinem Lächeln. »Du hast recht, Helen. Alles andere ist unwichtig. Nur du und ich.« Er küßte sie. Vorbei die Qual der letzten Tage. Es war Zeit weiterzugehen.
    Er zog sie mit sich von der Tür zu der Couch, die am offenen Kamin auf der anderen Seite des Zimmers stand, zog sie neben sich herunter und küßte sie wieder, mit mehr Sicherheit, mit einer wachsenden Leidenschaft, die die ihre entzündete. Nach einer langen Weile hob er den Kopf und strich ihr mit federleichter Berührung über die Wange.
    »Das ist Wahnsinn, Helen. Ich wollte dich zum Essen abholen, und jetzt möchte ich nur noch hier mit dir sitzen und dich in den Armen halten. Ich glaube, wenn wir nicht gleich gehen, verliere ich jegliches Interesse am Abendessen.«
    Sie lachte leise und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
    Er zog sie noch näher an sich heran. Warm glitt sein Mund über ihren Hals zu ihrer Schulter. Er streichelte ihre Brust.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er und suchte wieder ihren Mund.
    Das Telefon läutete schrill.
    Sie fuhren auseinander, als seien sie bei etwas Verbotenem ertappt worden, sahen einander fast schuldbewußt an, während das Telefon weiterläutete. Es dauerte eine Weile, ehe Helen sich erinnerte, daß Caroline ausgegangen war. Sie waren allein in der Wohnung. Sie stand auf, ging in den Flur und hob den Hörer ab.
    »Helen! Gott sei Dank. Gott sei Dank. Ist Davies-Jones bei dir?«
    Es war Lynley.

    Seine Stimme war so voll Angst und Sorge, daß Helen erschrak. »Was ist los? Wo bist du?« Sie merkte, daß sie flüsterte, obwohl sie das gar nicht wollte.
    »In einer Telefonzelle in der Nähe von Bishop's Stortford. Auf dem M11 hat es einen Riesenunfall gegeben, und sämtliche Seitenstraßen, auf denen ich durchzukommen versucht habe, sind eingeschneit. Weiß der Himmel, wie lang ich bis London noch brauche. Hat Havers schon mit dir gesprochen? Hast du von St. James gehört? Helen, du hast meine Frage nicht beantwortet. Ist Davies-Jones bei dir?«
    »Ich bin eben erst nach Hause gekommen. Was ist denn nur los?«
    »Antworte mir! Ist er da?«
    Rhys saß immer noch auf der Couch im Wohnzimmer, hatte sich jedoch dem Feuer zugewendet und schien das Spiel der Flammen zu beobachten. Helen konnte das Flackern von Licht und Schatten auf seinem Gesicht und seinem dunklen Haar sehen. Aber sie konnte nicht sprechen. Irgend etwas in Lynleys Ton warnte sie.
    Er begann von neuem zu sprechen, schnell und heftig, mit leidenschaftlicher Überzeugung.
    »Helen! Hör mir zu. Er hatte ein Verhältnis mit einer jungen Frau namens Hannah Darrow. Er lernte sie Ende Januar 1973 kennen, als er mit Stinhursts Truppe in Norwich gastierte. Sie war verheiratet und hatte ein kleines Kind.

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