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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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vorläufiger Befund. Wir haben Magen- und Darminhalt noch nicht analysiert. Aber wir haben Gewebefasern an der Wunde sichergestellt. Leder und Kaninchenhaare.«
    »Der Mörder trug Handschuhe?«
    »Offenbar. Aber sie sind noch nicht gefunden worden, und wir hatten keine Zeit, eine große Suchaktion zu starten. Wir können lediglich sagen, daß die Lederfasern und die Kaninchenhaare nicht von der Waffe stammen. An der Waffe ließ sich im übrigen außer dem Blut der Toten überhaupt nichts feststellen. Der Griff wurde abgewischt.«
    Barbara blätterte den Bericht durch und warf ihn auf den Tisch. »Ein fünfundvierzig Zentimeter langer Dolch«, sagte sie nachdenklich. »Wo findet man denn so was?«
    »In Schottland, meinen Sie?« Macaskin schien erstaunt über ihre Unwissenheit. »In praktisch jedem Haus, würde ich sagen. Es gab eine Zeit, wo kein Schotte ohne einen Dolch am Gürtel aus dem Haus ging. In diesem Landhaus hier«, er tippte auf den Plan, »hängt an der Wand im Speisezimmer eine ganze Sammlung dieser Dinger. Handgeschnitzte Hefte und scharf wie Rapiere. Echte Museumsstücke. Die Mordwaffe scheint von dort genommen worden zu sein.«
    »Wo ist auf dem Plan hier das Zimmer von Mary Agnes?«
    »Im Nordwestkorridor, zwischen Gowans Zimmer und Mrs. Gerrards Büro.«
    St. James machte sich am Rand seines Berichts Notizen, während der Inspector sprach. »Hat Joy Sinclair versucht, aufzustehen und aus dem Zimmer herauszukommen?« fragte er. »Die Verletzung hat ja nicht sofort zum Tod geführt. Gab es Anzeichen dafür, daß sie Hilfe holen wollte?«
    Macaskin schüttelte den Kopf. »Das war gar nicht möglich.«
    »Wieso nicht?«
    Macaskin schlug seinen letzten Ordner auf und entnahm ihm einen Stapel Fotografien. »Der Dolch hatte die Matratze durchbohrt. Sie war aufgespießt«, fügte er brutal hinzu. »Sie konnte nicht weg.« Er legte die Aufnahmen auf den Tisch, große Bilder!in Farbe und auf Glanzpapier. Lynley zog sie zu sich herüber.
    Er war es gewöhnt, dem Tod ins Auge zu sehen. Er hatte ihn in den Jahren seiner Arbeit bei New Scotland Yard in jeder erdenklichen Form kennengelernt. Aber niemals war er ihm in dieser Form gezielter Brutalität begegnet.
    Der Mörder hatte seinem Opfer den Dolch bis zum Heft in den Hals gestoßen, wie getrieben von einer atavistischen Wut, die nach mehr verlangt hatte als der bloßen Vernichtung Joy Sinclairs. Ihre Augen waren offen, aber ihre Farbe hatte sich verändert und verdunkelt durch die Starre des Todes. Während Lynley die Frau ansah, fragte er sich, wie lange sie noch gelebt haben mochte, nachdem der Dolchstoß sie getroffen hatte; ob sie sich überhaupt bewußt gewesen war, was ihr in dem Moment geschah, den der Mörder brauchte, um den Dolch in ihr Fleisch zu stoßen. Hatte der Schock sie sogleich in gnädige Bewußtlosigkeit getaucht? Oder hatte sie hilflos und unter Schmerzen auf ihrem Bett gelegen und auf Bewußtlosigkeit und Tod gewartet?
    Es war ein grausames Verbrechen, dessen Ungeheuerlichkeit sich in der blutgetränkten Matratze manifestierte, in dem hilfesuchend ausgestreckten Arm der Frau, in dem aufgerissenen Mund und dem lautlosen Schrei. Kein Verbrechen, dachte Lynley, ist so abscheulich wie Mord. Er kontaminiert und verseucht, und kein Leben, das er berührt, sei es noch so beiläufig, kann je wieder dasselbe sein.
    Er reichte die Fotografien an St. James weiter und sah Macaskin an. »Und jetzt«, sagte er, »wollen wir uns mit der interessanten Frage beschäftigen, was zwischen sechs Uhr fünfzig, als Mary Agnes Campbell die Tote fand, und sieben Uhr zehn, als es endlich jemand schaffte, die Polizei anzurufen, auf Westerbrae geschah.«

3
    Die Straße nach Westerbrae war in schlechtem Zustand. Im Sommer schon mußte es schwierig sein, mit dem Wagen die Haarnadelkurven, die Schlaglöcher, das jähe Auf und Ab zwischen Hochmooren und winzigen Tälern zu bewältigen. Obwohl Constable Lonan die Straße kannte und am Steuer des Landrover der Dienststelle Strathclyde saß, der für solche Verhältnisse richtig ausgerüstet war, kamen sie erst am späten Nachmittag auf Westerbrae an. Es begann schon dunkel zu werden, als sie aus dem Wald herausfuhren und auf einer Eisplatte durch die letzte Kurve schlingerten. Lonan und Macaskin fluchten laut, und der Constable kroch die letzten vierzig Meter vor lauter Schreck im Schneckentempo. Seine Erleichterung war offenkundig, als er vor dem Haus anhielt.
    Dunkel, ohne ein einziges Licht, und in tödlicher

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