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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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seinen Griff, um dem Schlag auszuweichen, und gab so dem Mann ein zweites Mal Gelegenheit, das Weite zu suchen. Der Flüchtige sprang an der Mauer hoch, klammerte sich an den Mauerrand, begann sich hochzuziehen.
    Doch Lynley war schneller. Er packte ihn an seinem schwarzen Pullover und riß ihn wieder herunter, preßte ihm den Arm um den Hals und schleuderte ihn in den Schnee. Keuchend stand er über ihm, als Havers ebenfalls aufgeholt hatte. Die beiden Constables kämpften noch mit dem tiefen Schnee.
    Lynley bückte sich, riß den Mann hoch, zog ihm die Skimütze vom Kopf und drehte ihn herum, so daß ihm das Licht der Taschenlampen ins Gesicht fiel.
    Es war David Sydeham.

17
    »Joys Zimmertür war nicht abgeschlossen«, sagte Sydeham.
    Sie saßen in einem der Vernehmungsräume von New Scotland Yard um einen Tisch. Es war ein kalter Raum, aus dem es kein Entrinnen gab, so schmucklos, daß nicht einmal der Phantasie sich ein Objekt bot, von dem sie hätte abheben können, um davonzufliegen.
    Sydeham sah keinen von ihnen an, während er sprach. Nicht Lynley, der ihn befragte, um seine Wissenslücken in dem Fall zu füllen; nicht Barbara Havers, die ausnahmsweise nicht mitschrieb, sondern lediglich auch ab und zu eine Frage einwarf; nicht die gähnende Stenographin - eine Frau, die nach zweiundzwanzig Jahren bei der Polizei dies alles mit einem Ausdruck abgrundtiefer Langeweile aufzeichnete, der darauf schließen ließ, daß nichts Menschliches ihr fremd war. Sydeham, der ihnen gegenüberstand, hatte sich zur Seite gewandt, so daß sie ihn nur im Profil sahen. Sein Blick war auf eine Ecke des kleinen Raums gerichtet, wo auf dem Boden ein toter Falter lag. Er starrte so unverwandt auf das Tier, als sähe er in ihm ein Symbol der letzten Tage der Gewalt.
    Seine Stimme war tonlos, klang nur ungeheuer müde. Es war halb vier Uhr morgens. »Ich hatte den Dolch schon früher am Abend mitgenommen, als ich in der Bibliothek war, um den Whisky zu holen. Es war nicht schwierig. Ich nahm ihn von der Wand im Speisezimmer und kehrte dann durch die Küche und über die Hintertreppe in mein Zimmer zurück. Danach brauchte ich nur noch zu warten.«
    »Wußten Sie, daß Ihre Frau bei Robert Gabriel war?«
    Sydehams Auge glitt zu der Rolex an seinem Handgelenk. Das goldene Gehäuse schimmerte im Licht. Beinahe liebevoll strich er mit einem Finger über das Zifferblatt. Seine Hände waren groß, aber weich und gepflegt, nicht von körperlicher Arbeit gezeichnet. Sie sahen nicht aus wie die Hände eines Mörders.
    »Ich brauchte nicht lang, um es mir klarzumachen, Inspector«, antwortete er nach einer Weile. »Wie Joanna selbst Ihnen gewiß sagen würde, hatte ja gerade ich sie mit Gabriel zusammen sehen wollen; sie gab mir also nur, was ich gewünscht hatte. ›Théatre du Réel‹ in Reinkultur. Eine gelungene Rache, nicht wahr? Natürlich war ich mir anfangs nicht sicher, ob sie wirklich bei ihm war. Ich dachte - oder hoffte vielleicht -, sie hätte sich in ihrem Zorn irgendwo allein zurückgezogen. Aber im Grund wußte ich, daß das nicht, ihre Art war. Im übrigen machte Gabriel ja neulich im Theater eine ziemlich deutliche Anspielung auf seine intime Bekanntschaft mit meiner Frau. Er konnte es sich nicht verkneifen, sich mit seiner Eroberung zu brüsten.«
    »Und deswegen haben Sie ihn an dem Abend in seiner Garderobe überfallen?«
    Sydeham lächelte bitter. »Das war das einzige an dieser ganzen entsetzlichen Geschichte, was ich wahrhaft genossen habe. Ich mag's nicht, wenn andre Männer sich mit meiner Frau vergnügen, ob sie nun bereitwillig mitgemacht hat oder nicht.«
    »Aber Sie denken sich nichts dabei, sich mit der Frau eines anderen Mannes zu vergnügen.«
    »Ach, Hannah Darrow. Ich hatte immer das Gefühl, daß mir diese Geschichte am Ende das Genick brechen würde.«
    Sydeham griff nach dem Pappbecher mit Kaffee, der vor ihm auf dem Tisch stand. »Als Joy beim Abendessen auf Westerbrae von ihrem neuen Buch erzählte, erwähnte sie die Tagebücher, die sie John Darrow abknöpfen wollte. Da war mir ziemlich klar, was passieren würde. Sie schien mir nicht die Frau zu sein, die gleich die Flinte ins Korn werfen würde, nur weil Darrow einmal nein gesagt hatte. Sie hätte es in ihrem Beruf al!Journalistin und Dokumentarautorin wohl kaum so weit gebracht, wenn sie bei jedem Hindernis gleich das Handtuch geworfen hätte. Als sie von den Tagebüchern sprach, wußte ich, daß es nur eine Frage der Zeit war, ehe sie Darrow die

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