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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Aufzeichnungen aus der Nase ziehen würde. Und da ich keine Ahnung hatte, was Hannah geschrieben hatte, konnte ich kein Risiko eingehen.«
    »Wie war das an dem letzten Abend, an dem Sie sich mit Hannah Darrow trafen?«
    Sydeham drehte den Kopf und sah Lynley an. »Wir hatten uns in der Mühle verabredet. Sie hatte sich schon vierzig Minuten verspätet, und ich glaubte - besser gesagt, ich hoffte -, sie würde gar nicht kommen. Aber dann kam sie doch, und es war wie immer. Sie - sie wollte unbedingt auf der Stelle mit mir schlafen. Aber ich - ich wehrte sie ab. Ich hatte ihr einen Schal gekauft, den sie in einer Boutique in Norwich gesehen hatte. Ich sagte, ich wolle sehen, wie er ihr steht, und legte ihn ihr selbst um den Hals.« Er senkte den Blick auf seine Hände, die den weißen Pappbecher hielten.
    »Es war ganz leicht. Ich küßte sie, als ich den Knoten zuzog.«
    Lynley fielen die beiläufigen Bemerkungen in Hannahs Tagebuch ein, denen er in seiner Blindheit keine Bedeutung beigemessen hatte, und er wagte einen Schuß ins Dunkle. »Es wundert mich aber, daß sie nicht wenigstens noch einmal mit ihr geschlafen haben, wenn sie das wollte.«
    Die Antwort, die er erwartet hatte, kam ohne Zögern. »Es klappte nicht mehr bei mir, wenn ich mit ihr zusammen war. Jedesmal, wenn wir uns trafen, hatte ich mehr Mühe.«
    Sydeham lachte kurz auf, voll Verachtung gegen sich selbst.
    »Es ging mir mit ihr wie mit Joanna.«
    »Eine schöne und berühmte Frau, die das Objekt der heißesten Männerphantasien ist, und der eigene Mann ist unfähig, sie zu befriedigen.« »So ist es, Inspector.«
    »Dennoch sind Sie bei Joanna geblieben.«
    »Weil sie das einzige in meinem Leben ist, das ich je vollkommen richtig gemacht habe. Ein absoluter Erfolg. So etwas läßt man nicht so leicht los; ich jedenfalls hätte nie auch nur in Betracht gezogen, sie zu verlassen. Ich konnte mich nicht von ihr trennen. Hannah tauchte rein zufällig zu einer Zeit auf, wo Jo und ich eine schwierige Phase durchmachten. Wir hatten schon drei Wochen lang ziemliche Probleme miteinander gehabt. Sie dachte daran, zu einem Londoner Agenten zu wechseln, und ich fühlte mich kaltgestellt. Nutzlos. Das war wahrscheinlich die Ursache meiner - Schwierigkeiten. Als Hannah dann auftauchte, fühlte ich mich ein, zwei Monate lang wie neugeboren. Jedesmal, wenn wir uns trafen, schliefen wir miteinander. Manchmal auch mehrmals. Und immer klappte es. Wirklich, es war wie eine Wiedergeburt.«
    »Bis sie den Wunsch äußerte, Schauspielerin zu werden wie Ihre Frau?«
    »Ja. Dann wiederholte sich die alte Geschichte.«
    »Aber warum mußten Sie sie töten? Warum haben Sie die Beziehung nicht einfach abgebrochen?«
    »Sie hatte meine Londoner Adresse herausbekommen. Es war schon schlimm genug, als sie eines Abends unerwartet zum Theater kam, gerade als Jo und ich mit dem Londoner Agenten weg wollten. Danach war mir klar, daß sie eines Tages bei mir in London auf der Matte stehen würde, wenn ich sie einfach sitzenließ. Und dann hätte ich Joanna verloren. Davor hatte ich Angst. Darum habe ich sie getötet.«
    »Und Gowan Kilbride? Warum mußte der sterben?«
    Sydeham stellte den Kaffeebecher wieder auf den Tisch.
    »Er wußte von den Handschuhen, Inspector.«
    Um Viertel nach fünf Uhr morgens beendeten sie das erst!Verhör David Sydehams und torkelten hundemüde in den Korridor hinaus, wo Sydeham zu einem Telefon geführt wurde, damit er seine Frau anrufen konnte. Lynley, der ihn beobachtete, überkam plötzlich eine Welle des Mitleids.
    Dabei bekam Sydeham nur seine gerechte Strafe. Aber Lynley wußte auch, daß die Morde - wie die Wellen, die einen stillen Weiher kräuseln, wenn man einen Stein hineinwirft - eben erst begannen ihre Kreise zu ziehen, die das Leben vieler Menschen verändern würden. Er wandte sich ab.
    Es gab anderes, worum er sich jetzt kümmern mußte, darunter die Presse, die plötzlich ganz scharf darauf war, den Fall Sinclair an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Journalisten bedrängten ihn mit scharfen Fragen und Bitten um Interviews.
    Er speiste sie mit Vertröstung ab, zerknüllte die Nachricht von Superintendent Webberly, die ihm jemand in die Hand drückte, und bahnte sich, zum Umfallen müde, seinen Weg zum Aufzug, im Kopf nur einen Gedanken: Er mußte Helen finden. Aber sein Körper wollte etwas anderes: schlafen.
    Mechanisch fuhr er nach Hause und ließ sich angekleidet auf sein Bett fallen. Er wachte nicht auf, als Denton hereinkam, ihm

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