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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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entschieden, Tommy.«
    St. James' Antwort war so klar, daß Lynleys Zorn erlosch. Er bekam plötzlich Angst. »Dann ist sie mit ihm weggegangen? Wohin? Nach Wales?«
    Nichts. Deborah sah ihren Mann, der sich abgewandt hatte, mit einem langen Blick an.
    Lynley war verzweifelt über ihre Weigerung, ihm Auskunft zu geben. Auf die gleiche Ablehnung war er bei Caroline Shepherd gestoßen, als er zu Helens Wohnung gefahren war, bei Helens Eltern, die er in Surrey angerufen hatte, und bei Helens drei Schwestern. Er wußte, daß er die Strafe reichlich verdient hatte, aber trotz dieser Einsicht bäumte er sich gegen sie auf und wollte sie nicht akzeptieren.
    »Herrgott noch mal, Simon!« rief er verzweifelt. »Ich liebe sie. Gerade du weißt doch, wie es ist, auf solche Weise von dem Menschen getrennt zu werden, den man liebt. Ohne ein Wort. Ohne die kleinste Chance. Bitte. Sag mir, wo sie ist.«
    Er sah, wie Deborah sich zu ihrem Mann hinüberneigte und seine Hand nahm. Ihre Worte, als sie mit ihm sprach, waren kaum zu hören.
    »Simon, verzeih mir. Ich schaffe das einfach nicht.« Sie wandte sich Lynley zu. »Sie ist auf die Insel Skye gefahren, Tommy. Allein.«

    Eines mußte er noch erledigen, ehe er nach Norden aufbrach, um Helen zu sehen. Er mußte mit Superintendent Webberly sprechen. Die Nachricht, die Webberly ihm am frühen Morgen hatte übermitteln lassen, um ihn zur Klärung des Falls zu beglückwünschen, und mit der er baldmöglichst um eine Nachbesprechung bat, hatte er ignoriert. Noch erschüttert von der Erkenntnis, daß er sich bei seiner Arbeit einzig von blinder Eifersucht hatte leiten lassen, hatte er kein Lob hören wollen, schon gar nicht das Lob eines Mannes, der bereit und willens gewesen war, sich seiner für ein Vertuschungsmanöver großen Stils auf hinterhältigste Weise zu bedienen.
    Denn es blieben ja immer noch der »Fall« Stinhurst und New Scotland Yards unterwürfige Bereitschaft, mit der Regierung gemeinsame Sache zu machen, um die Aufdeckung eines Skandals zu verhindern, der fünfundzwanzig Jahre lang geheimgehalten worden war.
    Das also mußte noch erledigt werden. Früher am Tag hatte sich Lynley der Konfrontation noch nicht gewachsen gefühlt. Jetzt aber war er bereit.
    Webberly saß, umgeben von einem Wust von Akten, Büchern, Fotografien, Berichten und ungespülten Teetassen, an dem runden Tisch in seinem Büro, als Lynley eintrat. Die unvermeidliche Zigarre im Mund, studierte er einen Stadtplan, auf dem gewisse Straßenzüge mit gelbem Filzstift gekennzeichnet waren, und diktierte seiner Sekretärin. Sie saß an seinem Schreibtisch und nickte immer wieder verständig, während sie mit der einen Hand schrieb und mit der anderen vergeblich die übelriechenden Qualmwolken zu vertreiben suchte, die sich in ihrem maßgeschneiderten Kostüm und dem wohlfrisierten blonden Haar festsetzten. Sie hatte sich, wie gewohnt, zu einem möglichst genauen Abbild von Lady Di ausstaffiert.
    Sie verdrehte die Augen zum Himmel, als Lynley hereinkam, krauste aus Mißbilligung über den Qualm und das Durcheinander im Büro die Nase und sagte: »Inspector Lynley ist hier, Superintendent.«
    Lynley wartete darauf, daß Webberly sie verbessern würde. Das gehörte zum täglichen Spiel der beiden. Webberly war das simple »Mister« lieber als jeder Titel. Dorothea Harriman - »Nennen Sie mich doch Dee, bitte« - zog immer den Titel vor.
    An diesem Nachmittag jedoch brummte Webberly nur etwas Unverständliches, sah von der Karte auf und sagte: »Haben Sie alles, Harriman?«
    Die Sekretärin warf einen Blick auf ihre Notizen, zupfte den Bubikragen ihrer weißen Bluse zurecht, unter dem eine adrette kleine Schleife saß, und sagte: »Ja, alles.«
    »Dann tippen Sie es mir und machen Sie dreißig Kopien, bitte. Der übliche Verteiler.«
    Dorothea Harriman seufzte. »Muß das noch heute sein, Superintendent? - Nein, nein, Sie brauchen gar nichts zu sagen. Ich weiß es schon. ›Schreiben Sie eine Überstunde auf, Harriman.‹« Sie warf Lynley einen vielsagenden Blick zu. »Ich hab so viele Überstunden, daß ich meine Flitterwochen davon bestreiten könnte, wenn nur endlich jemand mir freundlicherweise einen Antrag machen würde.«
    Lynley lächelte. »So ein Pech, ausgerechnet heute abend habe ich zu tun.«
    Dorothea Harriman lachte, nahm ihren Block und fegte drei Pappbecher von Webberlys Schreibtisch in den Papierkorb.
    Nachdem sie gegangen war, faltete Webberly den Stadtplan zusammen, schob ihn in eine offene

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