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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nach Schottland zu schicken, kam über Hillier direkt vom Commissioner. Nicht von mir. Mir hat die ganze Sache so wenig gefallen wie Ihnen. Aber ich hatte keine Wahl.«
    »Ach ja, natürlich«, erwiderte Lynley. »Nun, ich bin wenigstens in der glücklichen Lage, wählen zu können. Und ich mache jetzt von dieser Möglichkeit Gebrauch.«
    Webberlys Gesicht wurde zornrot. Doch seine Stimme blieb ruhig. »Sie sind offenbar nicht fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, mein Junge. Sehen Sie sich erst einmal die Tatsachen an, ehe Sie sich vor lauter selbstgerechter Empörung zum Märtyrer hochstilisieren. Ich wußte über Stinhurst überhaupt nichts. Ich weiß auch jetzt noch nichts und wäre daher entzückt, wenn Sie sich dazu aufraffen könnten, mich aufzuklären. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Sobald Hillier mir den Befehl gab, nur Ihnen und sonst keinem den Fall zu übertragen, wußte ich, daß da etwas nicht koscher war.«
    »Und dennoch haben Sie ihn mir übertragen.«
    »Gottverdammich, was sind Sie für ein vernagelter Bursche! Ich sage doch, ich hatte in dieser Sache keine Wahl. Aber wenn Sie das schon nicht akzeptieren wollen, dann halten Sie mir wenigstens die Tatsache zugute, daß ich Ihnen Havers mitgegeben habe. Sie wollten sie nicht haben, stimmt's? Sie waren mit meiner Entscheidung nicht einverstanden, richtig? Na, was glauben Sie wohl, warum ich trotzdem darauf bestanden habe, sie mit Ihnen nach Schottland zu schicken? Weil ich wußte, daß Havers Stinhurst im kritischen Moment nicht aus den Klauen lassen würde. Und so war's doch auch, oder nicht? Verdammt noch mal, antworten Sie mir. War es so?«
    »Ja.«
    Webberly schlug sich mit der Faust in die geöffnete Hand. »Diese Lumpen! Ich wußte, daß sie ihn schützen wollten. Ich wußte nur nicht, wovor.« Er warf Lynley einen finsteren Blick zu. »Aber Sie glauben mir nicht, wie?«
    »Ganz recht, ich glaube Ihnen nicht. So machtlos sind Sie nicht.«
    »Da täuschen Sie sich, mein Junge. Wenn es um meine Stellung geht, bin ich machtlos. Ich tue, was mir gesagt wird. Unerschütterliche Aufrichtigkeit ist leicht, wenn man die Freiheit besitzt, den Kram hinzuschmeißen, sobald einem etwas nicht ganz ins Konzept paßt. Aber diese Art von Freiheit habe ich nicht. Ich habe kein Privatvermögen und keinen Landbesitz. Diese Arbeit ist für mich kein Hobby. Mein Lebensunterhalt hängt von ihr ab. Und wenn ich einen Befehl erhalte, befolge ich ihn. So unerquicklich Ihnen das erscheinen mag.«
    »Und wenn nun Stinhurst der Mörder gewesen wäre? Wenn ich den Fall abgeschlossen hätte, ohne eine Verhaftung vorzunehmen?«
    »Aber das haben Sie ja nicht getan. Ich habe Havers vertraut.
    Ich war sicher, sie würde dafür sorgen, daß das nicht geschehen würde. Und ich habe Ihnen vertraut, mein Junge. Ich wußte, Ihr Instinkt würde Sie früher oder später auf die richtige Fährte führen.«
    »Aber genau das geschah nicht«, entgegnete Lynley. Es kostete ihn große Überwindung, die Worte auszusprechen, und er fragte sich, wieso es ein solches Problem für ihn war.
    Webberly blickte ihn fragend an. Als er sprach, war seine Stimme voll freundlichen Verständnisses. »Und darum glauben Sie, Schluß machen zu müssen, nicht wahr? Nicht meinetwegen und nicht Stinhursts wegen. Und nicht weil ein paar Herrschaften von oben in Ihnen den Mann sahen, den sie zur Erreichung ihrer eigenen Ziele benützen konnten. Sie wollen aufgeben, weil Sie einen Fehler gemacht haben. Sie haben bei diesem Fall Ihre Objektivität verloren, nicht wahr? Sie verfolgten den Falschen. Da kann ich nur sagen, willkommen im Club, Inspector. Sie sind nicht mehr unfehlbar.«
    Webberly nahm den Dienstausweis und wog ihn einen Moment auf seiner Hand, ehe er auf Lynley zuging. Ohne große Formalitäten steckte er ihn Lynley in die Brusttasche seines Jacketts.
    »Es tut mir leid, daß diese Geschichte mit Stinhurst passiert ist«, sagte er. »Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß so etwas nie wieder geschehen wird. Aber wenn es wieder vorkommen sollte, dann werden Sie, denke ich, nicht Sergeant Havers brauchen, um daran erinnert zu werden, daß Sie weit mehr Polizeibeamter sind als blaublütiger Edelmann.« Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und blickte einen Moment auf das Durcheinander von Papieren. »Ihnen stehen ein paar freie Tage zu, Lynley. Nehmen Sie sie. Melden Sie sich nicht vor Dienstag zurück.« Er sah auf. »Sich selbst verzeihen lernen, gehört auch zu unserem Beruf, mein

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