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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gehört.«
    »Aber Sie haben Joy nicht gesehen?«
    »Ich habe ihre Stimme gehört.«
    »Hat sie geflüstert? Gemurmelt? Es war spät. Sie hätte doch sicher leise gesprochen, nicht wahr?«
    »Es war Joy! Wer sonst soll es gewesen sein? Und was sonst hätte da nach Mitternacht zwischen den beiden passieren sollen, Inspector? Glauben Sie vielleicht, die haben sich Gedichte vorgelesen? Ha, wenn Joy zu einem Mann ins Zimmer ging, hatte sie immer nur eines im Kopf. Das weiß ich.«
    »War es auch mit Alec so, wenn sie bei Ihnen zu Hause zu Besuch war?«
    Elizabeth schloß den Mund, preßte die Lippen aufeinander und beugte sich wieder über ihren Teller.
    »Was haben Sie an dem Abend nach der Lesung getan?« fragte Lynley.
    Sie arrangierte die Schinkenstückchen zu einem ordentlichen kleinen Dreieck. »Ich bin zu meiner Tante gegangen«, antwortete sie. »Sie war sehr erregt und durcheinander. Ich wollte ihr helfen.«
    »Sie haben sie gern.«
    »Das scheint Sie zu überraschen, Inspector. Als wäre es ein Wunder, daß ich jemanden gern haben kann. Richtig?«
    Als er auf ihre Herausforderung nichts sagte, legte sie Messer und Gabel weg, schob ihren Stuhl ganz vom Tisch zurück und sah ihm gerade ins Gesicht. »Ich habe meine Tante in ihr Zimmer gebracht. Ich habe ihr eine Kompresse gemacht und mit ihr gesprochen.«
    »Worüber?«
    Elizabeth lächelte. Es war ein Lächeln, in dem sich Erheiterung und das Wissen zu mischen schienen, dem Gegner eins ausgewischt zu haben. »Über Der Wind in den Weiden, wenn Sie es unbedingt wissen wollen«, sagte sie. »Sie kennen doch die Geschichte, nicht wahr? Die Kröte, der Drache, die Ratte und der Maulwurf.« Sie stand auf, nahm ihr Cape und schwang es sich um die Schultern. »Entschuldigen Sie mich, Inspector. Ich habe heute früh noch einiges zu erledigen.«
    Damit ging sie. Aus der Halle hörte Lynley ihr meckerndes Gelächter.
    Irene Sinclair hatte selbst gerade erst die Neuigkeit gehört, als Robert Gabriel sie in dem Raum fand, den Francesca Gerrard euphemistisch als das Spielzimmer bezeichnete. Der Raum lag fast völlig isoliert am Ende des Nordostflügels, die Tür beinahe ganz versteckt hinter einem Haufen ausrangierter Mäntel und Jacken. Irene war fast froh um den Geruch nach Moder und feuchtem Holz, die staubige Luft, die verriet, daß seit Ewigkeiten niemand mehr in diesem Raum gewesen war.
    In der Mitte des Zimmers stand ein alter Billardtisch, dessen grüne Filzbespannung sich wellte, in einem Ständer an de!Wand waren die Queues aufgereiht. Irene ließ auf dem Weg zum Fenster geistesabwesend ihre Finger über sie hinweggleiten. Ungehindert drang die Kälte durch die Ritzen des nackten Fensters, das keine Vorhänge hatte. Irene, die keinen Mantel anhatte, hielt ihren Körper mit beiden Armen eng umschlossen und rieb sich, die Hände fest auf den Wollstoff ihres Kleides gedrückt, fröstelnd die Oberarme. Sie spürte die Reibung fast wie einen Schmerz auf der Haut.
    Vom Fenster aus gab es wenig zu sehen, nur eine Gruppe winterlich kahler Erlen, hinter denen das Schieferdach eines Bootshauses wie ein dreieckiger Auswuchs in die Höhe stand. Es war eine optische Täuschung, hervorgerufen durch den Winkel des Fensters und die Höhe des Hügels, auf dem das Bootshaus stand. Während Irene sich das klarmachte, ging ihr der Gedanke durch den Kopf, daß Täuschungen in ihrem Leben einen allzu breiten Raum einzunehmen schienen.
    »Lieber Himmel, Renie, was tust du denn hier? Ich habe dich überall gesucht.«
    Robert Gabriel kam mit großen Schritten auf sie zu. Er war völlig geräuschlos eingetreten und hatte es geschafft, die verzogene Tür ohne ein Knarren zu schließen. Er trug seinen Mantel über dem Arm und sagte erklärend: »Ich wollte gerade raus und dich suchen.« Er legte ihr den Mantel um die Schultern.
    Es war eine bedeutungsvolle Geste, und doch fühlte Irene noch immer eine deutliche Aversion gegen seine Berührung. Er war so nahe, daß sie den Duft seines Eau de Cologne und in seinem Atem die Mischung aus Kaffee und Zahnpasta wahrnehmen konnte. Sie hatte das Gefühl, ihr würde übel werden.
    Gabriel schien davon nichts zu merken. »Wir können abreisen, wenn wir wollen. Haben sie jemanden verhaftet? Weißt du was?«
    Sie brachte es nicht fertig, ihn anzusehen. »Nein. Es is!niemand verhaftet worden. Noch nicht.«
    »Natürlich müssen wir uns für die Leichenschau zur Verfügung halten. Herrgott noch mal, ist das ein Theater, dieses Hinundherfahren. Aber immer

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