02 - Keiner werfe den ersten Stein
umschwärmtes Mädchen, und Alec war nur einer von de!Verehrern, die vor ihrer Tür Schlange standen.«
»Aber ihn scheint sie doch viel ernster genommen zu haben als die anderen.«
»Natürlich. Das ist doch verständlich. Alec beteuerte ihr seine Liebe so oft, daß er ihr wie der perfekte Trottel erscheinen mußte, und gleichzeitig tat es natürlich ihrer Eitelkeit unheimlich gut. Und wie viele von den anderen hätten ihr die Aussicht bieten können, eines Tages Countess zu werden?« Elizabeth begann, die Schinkenstücke auf ihrem Teller zu einem Muster zu arrangieren.
»Hat Joy Sinclairs Beziehung zu Ihrem Bruder Ihre Freundschaft mit ihr belastet?«
Ihr kurzes Auflachen war wie ein zorniger Windstoß.
»Unsere Freundschaft stand und fiel mit Alec, Inspector. Nach seinem Tod hatte ich meinen Zweck für Joy erfüllt. Ich sah sie nur noch einmal bei der Messe für Alec. Dann verschwand sie aus meinem Leben.«
»Bis zu diesem Wochenende.«
»Richtig. Bis zu diesem Wochenende. Derart war unsere Freundschaft.«
»Reisen Sie häufig mit Ihren Eltern zu solchen Vorbereitungstreffen für eine neue Produktion?«
»Keineswegs. Aber ich habe meine Tante sehr gern. Ich wollte sie wieder einmal sehen. Darum bin ich mitgefahren.« Ein unangenehmes Lächeln umspielte flüchtig Elizabeths Mund. »Natürlich fielen auch die Pläne meiner Mutter ins Gewicht. Sie hätte mich so gern glücklich vereint mit Jeremy Vinney gesehen. Und ich wollte sie nicht enttäuschen, da sie doch so inbrünstig darauf hoffte, daß dieses Wochenende endlich das Blümchen Unschuld gepflückt werden würde, falls Sie dieses Bild nicht zu übertrieben finden.«
Lynley ignorierte die Anspielung. »Vinney kennt Ihre Famili!wohl schon lang?« meinte er.
»Lang? Meinen Vater kennt er seit einer Ewigkeit. Vor Jahren spielte er noch selbst Theater, in der Provinz, und bildete sich ein, der neue Olivier zu sein, aber mein Vater raubte ihm seine Illusionen. Daraufhin wechselte Vinney zum Journalismus, und da ist er geblieben und befriedigt seine gekränkte Eitelkeit mit Verrissen. Aber das neue Stück - das lag meinem Vater sehr am Herzen. Schon wegen der Neueröffnung des Agincourt. Ich vermute, meine Eltern wollten mich hier haben, um für eine gute Besprechung zu sorgen. Sie verstehen, was ich meine, nur für den Fall, daß Vinney auf eine - wie soll ich sagen - nicht unbedingt verlockende Bestechung eingehen würde.« Sie strich sich mit einer Hand ungeschickt über den Körper.
»Ich gegen eine gute Besprechung in der Times. Damit wäre meinen Eltern geholfen gewesen. Für meine Mutter hätte sich endlich der Wunsch erfüllt, mich an den Mann gebracht zu haben. Und mein Vater hätte London im Sturm erobert.«
Trotz Lynleys Versuch, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, war sie zu ihrem ursprünglichen Thema zurückgekehrt. Bereitwillig griff er es jetzt auf.
»Sind Sie deshalb in der Nacht, als Joy getötet wurde, in Vinneys Zimmer gegangen?«
Elizabeth hob mit einem Ruck den Kopf. »Natürlich nicht! Dieser eklige kleine Mensch mit seinen Wurstfingern! Ich hätte ihn Joy mit Kußhand überlassen. Ich finde es erbärmlich, wie er sich bei den Theaterleuten anbiedert, nur weil er selbst nicht beim Theater landen konnte. Erbärmlich!« Der plötzliche Ausbruch von Leidenschaft schien sie selbst zu erschrecken. Wie um ihn aus der Welt zu schaffen, senkte sie wieder den Blick und sagte: »Vielleicht findet meine Mutter ihn deshalb so geeignet als Kandidaten für mich. Zwei erbärmliche Figuren Hand in Hand ins Paradies der Liebe. Gott, was für eine romantische Vorstellung.« »Aber Sie gingen zu ihm -«
»Ich war auf der Suche nach Joy. Wegen meiner Tante und den verdammten Perlen. Allerdings, wenn ich's mir jetzt ansehe, hatten meine Mutter und meine Tante die ganze Szene wahrscheinlich im voraus geplant. Joy würde schmatzend vor Wonne über den neuerworbenen Schatz in ihr Zimmer laufen und mich mit Vinney allein lassen. Wahrscheinlich war meine Mutter schon vorher mit Rosenblättern und Weihwasser in seinem Zimmer. Wirklich jammerschade. Soviel Mühe, und alles nur für Joy.«
»Sie scheinen sicher zu sein, daß es das war, was zwischen den beiden in Vinneys Zimmer vorging. Aber ich bin da nicht ganz so überzeugt. Haben Sie Joy denn gesehen? Sind sie gewiß, daß sie bei ihm war? Können Sie mit Sicherheit sagen, daß es nicht jemand anders war?«
»Ich -« Elizabeth brach ab. »Natürlich war es Joy. Ich hab die beiden doch
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