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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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noch besser, als in diesem eisigen Gemäuer bleiben zu müssen. Heißes Wasser gibt es jetzt überhaupt nicht mehr. Und innerhalb der nächsten drei Tage wird der altertümliche Boiler wahrscheinlich auch nicht repariert werden können. Das geht mir als Alternativurlaub ehrlich gesagt ein bißchen zu weit.«
    »Ich habe dich gehört«, flüsterte sie und spürte, daß er sie ansah.
    »Gehört?«
    »Ich habe dich gehört, Robert. Neulich abend, mit ihr.«
    »Irene, was -«
    »Keine Angst, ich habe der Polizei nichts gesagt. So was würde ich doch nicht tun, hm? Aber das ist der Grund, warum du mich gesucht hast, nicht wahr? Um dich zu vergewissern, daß mein Stolz mich gezwungen hat, den Mund zu halten.«
    »Nein! Ich weiß ja nicht einmal, wovon du redest. Ich bin hergekommen, weil ich mit dir zusammen nach London zurückfahren möchte. Ich will nicht, daß du allein fährst. Man weiß nie -«
    »Und das Verrückteste daran ist«, unterbrach Irene ihn bitter, »daß ich tatsächlich zu dir wollte. Ich dachte allen Ernstes an einen Neuanfang, Robert. Ich hatte sogar -«
    Ihre Stimme brach, und sie trat von ihm weg, als könne sie so die Fassung wiedergewinnen. »Ich hatte dir sogar ein Foto von James mitgebracht. Wußtest du, daß er dieses Jahr bei der Schulaufführung den Mercutio gespielt hat? Ich habe zwei Fotos machen lassen, eines von James und eines von dir, in einem Doppelrahmen. Erinnerst du dich an das alte Foto von dir, das dich als Mercutio zeigt? Ihr seht euch zwar nicht besonders ähnlich, aber ich dachte, du würdest dich trotzdem über die Aufnahmen freuen. Vor allem James' wegen. Nein, ich mache mir wieder mal was vor. Und dabei habe ich mir gestern abend geschworen, daß ich damit aufhören würde. Ich wollte dir die Fotos bringen, weil ich dich haßte und liebte und weil ich neulich abend, als wir zusammen in der Bibliothek waren, eine!Moment lang glaubte - ich glaubte, es gäbe noch eine Chance -«
    »Renie, ich bitte dich -«
    »Nein! Ich habe dich gehört. Wie damals in Hampstead. Genau das gleiche. Und da heißt es immer, daß nichts im Leben sich wiederholt! Ich brauchte nichts weiter zu tun, als die Tür zu öffnen, um ein zweites Mal zu sehen, wie du mit meiner Schwester - genau wie im letzten Jahr! Der Unterschied war nur, daß ich diesmal allein war. Wenigstens wäre unseren Kindern ein zweiter Blick auf ihren Vater erspart geblieben, wie er es schwitzend und keuchend mit ihrer schönen Tante Joy trieb.«
    »Es ist nicht -«
    »- wie ich glaubte?« Irene spürte, daß ihr Gesicht zuckte, da sie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte. Es ärgerte sie, daß er noch immer in der Lage war, sie zum Weinen zu bringen. »Ich will es nicht hören, Robert. Ich habe genug von deinen schlauen Lügen. Verschon mich mit deinem ›es ist wirklich nur ein einziges Mal passiert‹. Ich habe genug - von allem.«
    Er packte sie beim Arm. »Glaubst du, ich hätte deine Schwester getötet?« Sein Gesicht sah krank aus, vielleicht aus Schlafmangel, vielleicht aus Schuldgefühlen.
    Sie lachte heiser und schüttelte seine Hand ab. »Sie getötet? Nein, das ist überhaupt nicht dein Stil. Tot hättest du ja absolut nichts von Joy gehabt, nicht wahr? Mit einer Toten kann man nicht mehr bumsen.«
    »Es ist nicht so gewesen.« »Was habe ich dann gehört?«
    »Ich weiß nicht, was du gehört hast. Und ich weiß auch nicht, wen du gehört hast. Jeder beliebige kann bei ihr gewesen sein.«
    »In deinem Zimmer?« fragte sie scharf.
    Er riß erschrocken die Augen auf. »In meinem - Renie, lieber Gott, es ist nicht so, wie du glaubst.«
    Sie schleuderte seinen Mantel von ihren Schultern. Staub wirbelte vom Boden auf. »Es ist schlimmer, als zu wissen, daß du immer ein gemeiner Lügner warst, Robert. Denn jetzt erkenne ich, daß auch ich zur Lügnerin geworden bin. Früher dachte ich, wenn Joy sterben würde, wäre ich allen Schmerz los. Aber jetzt - jetzt glaube ich, ich werde den Schmerz erst los, wenn du auch tot bist.«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Wünscht du das wirklich?«
    Sie lächelte bitter. »Von ganzem Herzen. O ja. Von ganzem Herzen.«
    Er trat von ihr weg. Sein Gesicht war aschfahl. »Wie du willst, Liebes«, flüsterte er.
    Lynley fand Jeremy Vinney draußen in der Auffahrt, wo er seinen Koffer im Wagen verstaute. Er war dick vermummt gegen die Kälte, und sein Atem stieg dampfend in die Luft. Die hochgewölbte Stirn schimmerte rosig, wo Sonnenlicht sie traf, und er sah überraschenderweise aus,

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