02 - komplett
abzuweisen.
„Danke, Lord Buckland“, erwiderte sie jedoch nur sanft.
„Dann begeben Sie sich am besten alle wieder zu Bett. Die Uhr hat eben vier geschlagen. Ackland, brauchen Sie Hilfe?“
Jethro verzog das Gesicht vor Schmerz, als er aufstand, schüttelte aber den Kopf.
„Nein, Mylord, es geht schon, wenn ich mich langsam bewege.“
Susan und Maria folgten ihm besorgt hinaus, und Hester wandte sich mit einem Lächeln an Guy. „Danke. Es tut mir leid, dass ich Sie in Verdacht hatte und Ihre Hilfe so hochmütig abgelehnt habe.“
Er erwiderte ihr Lächeln. „Wenn Sie mir nur jetzt vertrauen. Sie werden doch vorsichtig sein, Hester? Versprechen Sie mir das?“
„Ja, natürlich.“ Sie erhob sich mühsam, erschöpft und müde. „Kann ich Sie nach Winterbourne Hall begleiten? Zu zweit fällt uns vielleicht mehr auf. Ich behaupte einfach, mich nach Miss Nugents Gesundheit erkundigen zu wollen.“
„Gute Idee. Ich hole Sie ab. Sagen wir gegen zwei Uhr, wenn es Ihnen recht ist.“
Hester nickte und verbarg ein tiefes Gähnen hinter beiden Händen. „Oh, verzeihen Sie. Ich bin so müde.“
„Gute Nacht, Hester.“ Guy zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe.
Sie schmiegte sich unwillkürlich an seine breite Brust, wo sie sich so sicher fühlte. Ihr Körper schien wie dafür geschaffen, in Guys Armen zu liegen. Seufzend schloss sie die Augen und wurde von samtiger Dunkelheit eingehüllt.
„Komm, mein Liebling“, sagte er leise.
Hester war sich nur nebelhaft bewusst, wie er sie hochhob, und protestierte schwach. Es gehörte sich nicht, was er da tat.
„ Mylord! “
Das war Maria, dachte Hester mit einem verträumten Lächeln und drückte das Gesicht an den weichen Stoff seines Hemds.
„Da dürfen Sie nicht hinein!“
Wie es schien, nahm Guy keine Notiz von ihrer Anstandsdame, denn Hester wurde gleich danach behutsam auf ihr Bett gelegt und zugedeckt.
„Augenblicklich hinaus, Sir!“
Jemand strich ihr sanft das Haar aus der Stirn.
„Gute Nacht“, flüsterte Hester noch, dann überkam sie tiefer Schlaf.
Es war spät, als Hester am nächsten Morgen aufwachte. Die Wintersonne schien durch das Fenster, und im Haus herrschte Stille. Unten schlug die Uhr neun.
Warum fühlte sie sich so glücklich? Die Erinnerung an den gestrigen Abend kehrte zurück. Guy war unschuldig. Er war ihr Freund und Verbündeter. Wie zärtlich hatte er sie in ihr Schlafgemach getragen, und wie vertrauensvoll hatte sie davor im Sessel neben ihm gesessen.
Doch Guy Westrope konnte nicht nur zärtlich sein. Sie musste an die Kraft denken, mit der er ihr den Degen abgenommen und an die Furchtlosigkeit, mit der er den Eindringling angegriffen hatte. Sie erschauerte und schloss die Augen. Wenn sie gestern Nacht allein im Haus gewesen wären, als er sie in ihr Bett gelegt hatte – wäre sie dann auch so müde gewesen? Oder hätte sie ihn zu sich heruntergezogen?
„Hester, meine Liebe.“ Das Klopfen an der Tür riss sie unbarmherzig aus ihren Tagträumen.
„Was? Ich meine, kommen Sie herein, Maria.“
Maria war vollständig angezogen, wenn sie auch noch ihr Nachthäubchen trug, unter dem die Lockenwickler hervorlugten.
„Sind Sie wach, meine Liebe?“
„Ja, gerade eben. Wir sind richtige Langschläfer, Maria, aber ich denke, nach der Aufregung der vergangenen Nacht kann uns vergeben werden. Ist Susan schon auf?“
„Sie ist gerade nach unten gegangen, um den Herd anzumachen und im Salon nach dem Rechten zu sehen, falls wir frühen Morgenbesuch bekommen. Jethro schläft zum Glück noch. Soll ich Susan bitten, heißes Wasser zu bringen?“
„Ja, bitte.“ Hester setzte sich auf und legte die Arme um die Knie, in Gedanken schon wieder bei ihrem faszinierenden Nachbarn.
Bald darauf erschien Susan mit dem Wasserkrug. „Guten Morgen, Miss Hester.
Welches Kleid möchten Sie heute tragen?“
„Ach, am besten das geblümte. Ich denke, ich werde heute nach Tring fahren. Marias Wolle habe ich noch nicht besorgt, und es wird wohl noch einiges geben, was wir brauchen.“ Hester kletterte aus dem Bett, belebt durch den Gedanken an die Einkäufe.
Als sie später angekleidet auf dem Treppenabsatz stand, drangen erregte Stimmen zu ihr, die eindeutig aus dem Gästezimmer kamen. Hester öffnete die Tür und sah Maria mit erhobenem Zeigefinger neben Jethro stehen, der auf dem Bett saß und, obwohl ein wenig blass, entschlossen zu sein schien, sich anzuziehen. Bisher war er allerdings erst mit einem Bein in
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