02 - komplett
nicht mehr beichten konnte, dass ihn trotz der Winterkälte das Feuer der Leidenschaft verzehrte.
Gavin war hereingekommen, ein betont sorgloses Lächeln auf den Lippen.
Irgendetwas stimmte nicht, das spürten sowohl Ruth als auch Clayton.
„Sarah kommt gleich. Zwar hustet und spuckt der Kleine noch ein wenig, aber sobald er sich etwas beruhigt hat, können wir essen.“
Durch die angelehnte Tür hindurch erklang das laute Geschrei des Säuglings, und Gavin machte Anstalten, sich wieder umzuwenden. Doch dann schien er sich auf seine Gastgeberpflichten zu besinnen und erklärte: „Selbstverständlich können wir das Dinner auch jetzt schon servieren lassen, wenn ihr hungrig seid. Es ist nicht nötig, dass ihr auf uns wartet ...“
Sofort leugneten seine Gäste, hungrig zu sein, und erklärten, auf jeden Fall warten zu wollen.
„James leidet wohl nur daran, dass er seine Zähnchen bekommt.“ Gavins gezwungenes Lächeln zeigte deutlich, wie sehr er mit dem Kleinen fühlte. „Aber Sarah möchte ihn erst zum Einschlafen bringen, bevor sie herunterkommt.“
„Kann ich Sarah helfen oder ihr wenigstens Gesellschaft leisten?“, bot Ruth an.
„Darüber würde sie sich bestimmt freuen“, antwortete Gavin.
Eilig ging Ruth ins Kinderzimmer, wo sie die Freundin vollkommen aufgelöst vorfand.
„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll“, klagte Sarah. „Es bricht mir das Herz, dass ich ihn nicht beruhigen kann.“
Ruth warf einen Blick auf James, der von Rosie durch das Zimmer getragen wurde.
Sein Gesicht war rot vom Schreien, und er hustete.
„Vielleicht hat er sich erkältet“, gab Ruth zu bedenken.
„Dann will ich, dass Gavin den Arzt holen lässt. Wenn James wirklich krank ist, dann bleibt uns nichts anderes übrig. Kannst du es ertragen, Dr. Bryant so bald schon wiederzusehen?“
„Das spielt jetzt überhaupt keine Rolle“, erklärte Ruth fest. „Wenn ein Arzt dem Kind helfen kann, dann sollte man unverzüglich nach ihm schicken.“
„Ich sage Gavin, er soll selbst nach Willowdene reiten“, sagte Sarah und lief hinaus.
Ruth nahm Rosie den Kleinen aus dem Arm und trug ihn im Zimmer auf und ab, ohne sein Unbehagen dadurch lindern zu können. Er schrie unermüdlich, und seine Stirn fühlte sich heiß an. Offenbar fieberte er. In einer Augenblickseingebung bat Ruth das Kindermädchen, ein Tuch anzufeuchten, und tupfte James damit das Gesichtchen ab. Die Kühlung schien ihm einen Moment lang Linderung zu verschaffen.
„Ich glaube, er muss etwas trinken“, gab Rosie schüchtern zu bedenken. „Er schreit schon so lange, dass er sicher Durst hat, aber um an der Brust zu trinken, ist er schon zu erschöpft.“
„Bitten Sie die Köchin, Wasser abzukochen. Vielleicht kann man ihm davon etwas mit einem Löffel einflößen.“
Rosie lief gehorsam hinaus, und Ruth blieb mit dem schreienden Kind allein. Angst schnürte ihr die Kehle zusammen. In diesem Augenblick wünschte sie sich niemanden sehnlicher herbei als Dr. Ian Bryant.
8. KAPITEL
Es ging bereits auf zehn Uhr zu, als Clayton mit Dr. Bryant auf Willowdene Manor eintraf. Er hatte darauf bestanden, selbst zu fahren, damit Gavin bei seiner verzweifelten Frau bleiben konnte. Dieser hatte das Angebot erleichtert angenommen.
Der Arzt wurde unverzüglich in das Kinderzimmer geführt, wo Ruth und Sarah sich über das Bettchen beugten. Der Säugling wirkte erschöpft, und die paar Tropfen Wasser, die man ihm mit einem Löffel eingeflößt hatte, schienen ihm keine Linderung verschafft zu haben.
Einen Augenblick lang schien Dr. Bryant zu vergessen, weshalb er gekommen war, als er Ruth erblickte. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, und in seiner Miene spiegelten sich Überraschung und so etwas wie Freude. Doch dann erinnerte er sich an den Grund seines Hierseins und begann, den Säugling zu untersuchen.
Ruth murmelte Sarah eine Entschuldigung zu und ging hinaus. Im Moment konnte sie nichts für den kleinen James tun, und sie wollte den Arzt auf keinen Fall bei seiner wichtigen Aufgabe ablenken.
Als sie die Treppe hinunterkam, traf sie auf Sir Clayton, der unruhig in der Eingangshalle auf und ab lief. Kaum erblickte er sie, als er auf sie zutrat und besorgt fragte: „Wie geht es ihm?“
„Er hat aufgehört zu schreien, aber ich habe nicht das Gefühl, dass das ein gutes Zeichen ist. Der Ärmste hat sich fast die Lunge aus dem Leib gehustet.“ Tränen des Mitleids brannten in ihren Augen. „Ich kann verstehen, dass Sarah sich solche
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