02 - komplett
Sorgen macht. Es geht dem Kleinen wirklich nicht gut.“
Als er die Angst in ihrer Stimme wahrnahm, griff Clayton, ohne nachzudenken, nach ihrer Hand, als wolle er Ruth trösten. „Immerhin kümmert sich jetzt der Arzt um ihn.“ Beruhigend streichelte er ihre Rechte mit einem Finger. „Er wird tun, was zu tun ist.“
Ruth, die immer noch auf der untersten Treppenstufe stand, fühlte sich von Sir Clayton sanft gedrängt, den letzten Schritt hinunter zu machen. Doch unwillkürlich sah sie zurück nach oben. Was war, wenn man sie dort brauchte?
Clayton schien ihre Gedanken zu erraten. „Sie frieren, und im Augenblick kann keiner von uns beiden etwas ausrichten. Kommen Sie, wärmen Sie sich auf. Man teilt uns sicher bald mit, wie es um James steht.“
Wie abwesend ließ Ruth sich von ihm in die Bibliothek führen. Sie setzte sich in den Sessel am Kamin, den er für sie zurechtrückte, und nahm das Glas Sherry, das er ihr reichte.
„Wenn man keine eigenen Kinder hat, kann man sich nur schwer vorstellen, was eine solche Situation für die Eltern bedeutet“, bemerkte Clayton, den Blick auf die tanzenden Flammen gerichtet. „Die Sorge, ein geliebtes Kind durch Krankheit zu verlieren, quält sie vermutlich Tag und Nacht.“ Er sah zu Ruth, von der er offenbar eine zustimmende Äußerung erwartete.
Doch sie begegnete seinem Blick stumm, während sich ihre Augen mit Tränen füllten, bis ihr schließlich ein Tropfen über die Wangen lief.
Im ersten Augenblick runzelte Clayton verwundert die Stirn, doch dann begriff er.
Innerlich verwünschte er seine gedankenlosen Worte, aber außer einer hilflosen kleinen Geste wollte ihm keine angemessene Entschuldigung einfallen.
Plötzlich öffnete Ruth den Mund und sprach. Sie wusste nicht, warum sie diesem Mann, den sie kaum kannte, ihr größtes Herzeleid offenbarte, doch sie verspürte den Drang dazu. „Ich hatte eine Tochter ... Sie hat nie ihren ersten Atemzug getan. Heute wäre sie fast neun Jahre alt.“
Voller Mitgefühl sah Clayton sie an, und sie senkte die Lider. Bevor ihm eine angemessene Antwort eingefallen war, öffnete sich die Tür, um Dr. Bryant und die Tremaynes einzulassen.
Ruth sprang auf, als die Freundin auf sie zulief.
„Es geht ihm etwas besser“, berichtete Sarah atemlos. „Dr. Bryant hat ihm Tropfen gegeben, damit er schläft, und er atmet jetzt ruhig. Die Temperatur ist ebenfalls gesunken.“
Erleichtert hörte Ruth die willkommene Botschaft an und umarmte Sarah. Über die Schultern der Freundin hinweg sah sie, dass Ian Bryant sie beobachtete. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihre Dankbarkeit für seine Hilfe ausdrücken sollte, und wurde nach kurzem Zögern mit einem Zucken seiner Mundwinkel belohnt. Offensichtlich hegte er ihr gegenüber keinen Groll mehr.
Gavin bot dem Arzt Cognac an, und eine Weile unterhielten sich alle über das ungewöhnlich kalte Wetter, bevor sich das Gespräch wieder dem kleinen James zuwandte.
„Ich hoffe sehr, dass wir eine solche Situation nie wieder erleben müssen“, erklärte Gavin und zog seine Frau an sich.
„Leider gehe ich davon aus, dass es bei diesem Mal nicht bleiben wird“, entgegnete Dr. Bryant. „Jeder Säugling macht Krankheiten durch, aber die meisten Kinder erweisen sich als erstaunlich widerstandsfähig.“ Wieder schweifte sein Blick zu Ruth und ruhte einen Augenblick auf ihr, bevor er an die besorgte Mutter gewandt fortfuhr: „Ihr Kleiner kam mir gut genährt und im Prinzip gesund vor. Morgen früh geht es ihm sicher schon viel besser.“
Sarah nickte und drehte sich zu Clayton um, der etwas außerhalb der Gruppe stand:
„Vielen Dank, dass du Dr. Bryant so schnell hergeholt hast. Du hast dich als wahrer Freund erwiesen.“
„Für den kleinen James hätte ich noch viel mehr als das getan.“
„Du hast dein künftiges Patenkind heute noch gar nicht zu Gesicht bekommen“, sagte Sarah. „Möchtest du sehen, wie friedlich er jetzt schläft?“
„Sehr gerne“, antwortete Clayton bereitwillig und ließ sich von ihr hinausführen.
Kurz darauf erklärte Gavin, nach dem Dinner sehen zu wollen. „Entschuldigen Sie, dass ich es erst jetzt ausspreche, Dr. Bryant, aber Sie sind selbstverständlich eingeladen, mit uns zu speisen.“
Dr. Bryant warf einen Blick auf Ruths überraschte Miene, und es zuckte in seinem Mundwinkel. „Danke, aber ich muss leider ablehnen und zu meinem eigenen Sohn zurückkehren.“
„Wie alt ist er?“, erkundigte sich Gavin.
„Joseph hat gerade
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