02 - komplett
recht.“ Clayton sagte es, als sähe er darin einen schweren Charakterfehler des Arztes. „Vielleicht gelingt es Ihnen ja, an seiner Seite Ihre vorschnelle Art im Zaum zu halten. Bei mir dagegen werden Sie kaum ...
Beherrschung lernen.“ In den letzten Worten lag ein nicht zu überhörender zweideutiger Unterton.
Ruth ahnte, was Clayton ungesagt ließ, und sie wusste genau, dass er das ebenfalls wusste und beabsichtigt hatte. Dass er ihr ausgerechnet in dieser Situation ihren Mangel an züchtiger Zurückhaltung vorhielt, empörte sie zutiefst. „Wenn ich mich in Ihrer Gegenwart unbeherrscht benehme, dann liegt das nur an Ihnen.“
„Oh, ich wollte mich durchaus nicht beschweren“, bemerkte Clayton trügerisch sanft.
„Aber das wissen Sie sicherlich selbst am besten.“
Hastig wandte Ruth sich ab und starrte durch das Kutschfenster, ohne etwas wahrzunehmen. Beinahe greifbar lag etwas zwischen ihnen in der Luft, das sie nicht benennen konnte. Sie spürte Claytons Anwesenheit körperlich, und obwohl sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, ahnte sie das lustvolle Verlangen, das in seinen Augen aufblitzte. Sicherlich war er immer noch wütend über das, was er als unverhüllten Versuch ansah, ihm Ehefesseln anzulegen. Aber im Moment war sein Sinnen darauf gerichtet, sie selbst unverhüllt zu sehen.
„Falls Bryant Ihnen noch einen Antrag gemacht hat, heißt das wohl, dass Sie ihn derzeit noch nicht erhören möchten ... Vielleicht wollten Sie ja erst abwarten, ob der fettere Fisch nicht doch anbeißt – in diesem Fall ich?“
„Wie können Sie es wagen!“ Ruth fuhr herum, so fassungslos wie wütend. In ihrem tiefsten Innern hatte sie immer gehofft, Clayton würde sie wenigstens nicht mit den Loretta Vanes dieser Welt auf eine Stufe stellen. „Ich würde Dr. Bryant weitaus lieber heiraten als Sie! Nur weil ich gelogen habe, um eine Freundin zu schützen, brauchen Sie nicht zu glauben ...“
„Aber jetzt sind Sie doch froh, dass Sie es getan haben, nicht wahr?“, höhnte Clayton leise. „Denn Sie glauben, Sie haben mich an der Angel.“
Genug – es reichte! Außer sich beugte Ruth sich vor, die Hände zu Fäusten geballt. In ihrem Zorn bemerkte sie nicht den triumphierenden Ausdruck in Claytons Augen, und ihr entging, dass seine Lippen sich zu einem gefährlichen Lächeln verzogen hatten.
„Noch nie ... noch nie ist mir ein Mann begegnet, der auf so abstoßende Art und Weise von sich selbst eingenommen ist! Mich wundert überhaupt nicht, dass Ihre Frau Sie verlassen hat und lieber mit einem anderen auf und davon gegangen ist“, stieß Ruth hervor. „Selbst wenn mein Leben davon abhinge, würde ich Sie nicht heiraten! Und genau das werde ich morgen auch jedem Menschen sagen, der mir zuhört.“
„So wie Sie sich ereifern, scheint ja tatsächlich ein Funken Wahrheit in meiner Bemerkung zu stecken ...“
Die lässig hervorgebrachte Entgegnung brachte das Fass zum Überlaufen. Blind vor Zorn wollte Ruth dem Mann ihr gegenüber eine Ohrfeige versetzen.
Doch blitzschnell wurde ihre Hand abgefangen, und starke Finger umklammerten ihren Arm, bevor sie ihn wieder zurückziehen konnte. Im nächsten Augenblick verlor sie das Gleichgewicht und fiel hilflos gegen eine breite, muskulöse Brust.
„Vermutlich sollte ich deutlich machen, was ich von meiner Verlobten erwarte: als Erstes, dass sie sich jederzeit mit der gebotenen Zurückhaltung verhält und ausgesuchte Manieren an den Tag legt. Wenn ich möchte, dass du dein Temperament zeigst, lasse ich es dich wissen. Hör gefälligst auf, dich um mich zu streiten – oder mit mir.“
Damit legte Clayton ihr eine Hand unters Kinn und hob es an, sodass Ruth gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. „Und jetzt wollen wir feststellen, ob es dir immer noch gelingt, mich auf eine Weise zu erregen, die ich genießen kann ...“
Unfähig, sich zu bewegen, starrte Ruth ihn nur aus großen, schreckgeweiteten Augen an. So niederträchtig er sie auch behandelte – der Schauer, der ihr über den Rücken lief, rührte nicht allein von Furcht her. Verräterische Hitze begann in ihr aufzusteigen, als sie auf Claytons Lippen blickte, die gleich die ihren berühren würden ... Wut und Anstrengung ließen sie immer noch nach Luft ringen, und mit jedem Atemzug rieben die empfindlichen Spitzen ihrer Brüste gegen seine Brust.
In den Augenblicken, die zwischen Claytons Worten und seiner Strafe vergingen, empfand Ruth plötzlich alles doppelt so deutlich wie
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