02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
dauern, bis die Sonne aufging. Sie musste Dante irgendwo hinbringen, wo er sicher war, und zwar so schnell wie möglich. Später würde sie darüber nachdenken, was sie gesehen und erlebt hatte. Was es bedeutete. Wie sehr es sie verängstigt hatte.
Heather löste sich aus Vons Umarmung und trat einen Schritt vor, doch er hielt sie auf, indem er sie am Arm berührte. »Morphium, Püppchen.« Er fasste in die Tasche und zog eine Spritze und eine Ampulle hervor. »Ich mache es. Es geht ihm sehr schlecht.«
»Ich weiß«, antwortete Heather. »Aber lass mich es machen. Ich muss mich daran gewöhnen. Er ist schließlich mein Mann.«
»Dein Mann?«, meinte der Nomad und gab ihr Spritze und Ampulle. »Weiß Dante das?«
Wann immer du willst, gehöre ich dir.
Ich lasse dich nicht allein.
T’es sûr de sa?
»Das hoffe ich«, flüsterte Heather gepresst. »Das hoffe ich.« Sie zog die Kappe von der Nadel, stach diese in die Ampulle und füllte die Spritze mit Morphium.
»Nein, Heather, bleib weg von ihm«, sagte Annie mit riesengroßen Augen. Ihr Gesicht war so blass wie das eines Nachtgeschöpfs.
Heather wandte sich ihr zu und strich ihr liebevoll mit kalten Fingern über die Wange. »Du musst keine Angst haben«, sagte sie und wünschte sich inbrünstig, Recht zu haben. Sie durchquerte den Garten. Von folgte ihr.
Dante hatte den Kopf gesenkt, seine Arme hingen an den Seiten herab, die Fäuste hatte er geballt.
»Baptiste?«, fragte Heather und blieb knapp dreißig Zentimeter von ihm entfernt stehen. »Hörst du mich? Baptiste?«
Er hob den Kopf, und seine blutunterlaufenen dunklen Augen fixierten sie. »Heather«, sagte er mit einer heiseren, wunden Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war. »Oui , ich höre dich …«
Sie kniete sich ins nasse Gras, holte tief Luft und fasste ihn am Kinn. »Du bist fix und fertig«, sagte sie entschlossen. »Deine Nase blutet. Leg den Kopf zurück.«
Dante bewegte sich. Er riss sich von Heather los, packte ihre Oberarme und zog sie an sich. Ihr Herz raste so, dass es in ihren Ohren widerhallte.
»Verhalten Sie sich still«, sagte Cortini.
»Lass sie los, kleiner Bruder.«
Heather nahm am Rand ihres Blickfelds eine verschwommene Bewegung wahr, als Von auf sie zukam.
Dante zischte, ein leiser, durchdringender Ton, der Heather die Nackenhaare aufstellte. Dann erbebte er. »Lasst mich in Ruhe«, murmelte er und stieß Heather mit beiden Händen von sich.
Von fing sie auf, ehe sie fiel. Doch sie schob ihn beiseite und kehrte zu Dante zurück. »Ich bleibe hier. Das ist unser Kampf. Rücken an Rücken, Seite an Seite. Weißt du noch?«
»Bei mir wirst du nie in Sicherheit sein.« Dante schloss die Augen. Blut lief ihm aus der Nase.
»Wer sagt denn, dass ich in Sicherheit sein will?«
Dante erstarrte. Er öffnete die Augen, und diese rollten nach hinten. Heather fing ihn auf, als ihn ein weiterer Anfall erfasste und seine Muskeln wie wahnsinnig zucken ließ. Sie stieß die Nadel in seinen Hals und drückte den Kolben herunter. Sein Kopf fiel nach hinten.
Dann schlang sie die Arme um seinen kranken, zitternden Körper und hielt ihn so lange fest, bis das Morphium seine Wirkung tat. Mit einem Seufzer schmiegte sich Dante an sie. Sie setzte sich mit ihm ins feuchte Gras, während ihr Herz schnell und wild schlug.
»Ich bin in den Abgrund gestürzt«, stotterte Dante undeutlich. »Aber Lucien …« Er konnte nicht weitersprechen, sondern sah Heather durch seine dichten Wimpern an. Dann streckte er die Hand aus und strich mit einem Finger über ihre Lippen. »Ihr Name war Chloe. Sie war meine Prinzessin, und dann habe ich sie ermordet.«
Er schloss die Augen. Eine Träne lief unter seinen Wimpern hindurch bis zu seinem Ohr.
Ihr Name war Chloe.
Heathers Herz krampfte sich vor Mitgefühl zusammen. Sie starrte ihn mit brennenden Augen an. Er hatte sich an einen Teil seiner Vergangenheit erinnert, und das nicht mit der Hilfe eines Menschen, dem er viel bedeutete und nicht dann, als er sich daran erinnern wollte. Er hatte sich daran erinnert, weil er Morphium und Absinth bekommen und man ihn gefoltert hatte. War Chloe die Einzige, die in seinem Gedächtnis wieder an die Oberfläche getaucht war?
Heather strich ihm das nasse Haar aus dem Gesicht. Sie senkte den Kopf und berührte für einen kurzen Augenblick seine Lippen. »Ich liebe dich, Dante Baptiste«, murmelte sie.
Doch ihre Worte verhallten ungehört. Dante war Dank des Morphiums in einen künstlichen Schlaf
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