02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
er. »Muss noch schnell meine Hose finden!«
Jon sprang auf und schlich ins Badezimmer, wo er leise die Tür hinter sich schloss, ehe er sich auf die Toilette stellte und mühsam das Fensterchen aufstieß. Er hielt sich am glatten, gekachelten Fensterbrett fest, zog sich hoch und zwängte sich durch die Öffnung.
Obwohl nur noch die Abenddämmerung den Horizont erhellte, schlug ihm die dumpfe Hitze auf dem Parkplatz ins Gesicht. Er schnaubte, als er die Gerüche des heißes Asphalts, des Sands und der Autoabgase einatmete. Dann sprang er auf den Boden.
»Sieht aus, als hätten Sie Ihre Hose gefunden.«
Jon fuhr herum. Cortini stand auf dem Asphalt, eine Hüfte nach vorn geschoben, die behandschuhten Hände hingen an den Seiten herab. Sein Herz begann wieder zu rasen. Vor seine Augen schob sich eine Art Schleier, und seine Knie wurden weich. Eine Hand legte sich um seinen Oberarm, damit er nicht das Gleichgewicht verlor.
»Atmen«, sagte sie. »Langsam und tief weiteratmen.«
Da er keine andere Wahl hatte, folgte er Cortinis Anweisung. Nach einem Augenblick sah er wieder klarer, und sein galoppierender Herzschlag verwandelte sich in einen langsameren
Trab. Er richtete sich auf. Doch Cortini ließ nicht los. Ihre Finger fühlten sich wie Metall um seinen Arm an. Er bemerkte die Ausbeulung eines Pistolenhalfters unter ihrer leichten Kostümjacke.
»Wissen Sie, warum ich hier bin?«, fragte sie.
Jon überlegte einen Augenblick, ob er lügen sollte. Er überlegte, ob es besser wäre, den Unwissenden zu markieren. Aber als er in Cortinis Augen sah, wusste er, dass es sinnlos war. »Ist es von Bedeutung, warum ich es genommen habe?«
»Nein. Nicht wirklich.«
Jon nickte. Schluckte schwer.
Cortini schob eine Hand in die Jackentasche. »Aber ich glaube, es ist von Bedeutung, dass Ihre ganze Arbeitsgruppe tot ist, weil Sie es genommen haben.«
Cortinis Worte trafen ihn wie eine harte Rechte ans Kinn. Er schloss die Augen. Nickte abermals. »Tut mir leid.«
»Erklären Sie ihnen das, wenn Sie einander wiedersehen.«
Etwas in ihrer Stimme ließ Jon die Augen wieder öffnen; etwas Erschöpftes, Unheilvolles und Verzagtes. Ihre Finger lösten sich von seinem Arm. Sie zog einen Schalldämpfer aus der Tasche.
»Gehen wir rein und plaudern«, sagte sie leise.
Jon wusste, er hatte nichts mehr zu verlieren und raste los. Seine Keds trommelten auf den Asphalt, als er über den Parkplatz hastete. Auf dem Grünstreifen neben dem Highway kam er ins Straucheln. In seinen Ohren dröhnte es. Er keuchte außer Atem.
Das Donnern des Dieselmotors eines Sattelschleppers, der auf der Fahrbahn entlangraste, hallte in seinen Ohren wider. Scheinwerfer erhellten die Straße wie zwei Sonnen, die mit jedem Schritt, den Jon machte, greller wurden. Keine Hände griffen nach ihm, um ihn zurückzureißen. Cortini rief nicht seinen Namen. Er rannte auf den Highway, direkt vor diese riesengroßen Scheinwerfer.
Quietschende Bremsen und schlitternde Reifen machten nicht ausreichend Lärm, um den feuchten Laut des Schreis aus seiner Erinnerung zu streichen, den Johanna Moore mit ihrem letzten Atemzug ausgestoßen hatte.
Stand ihm das gleiche Schicksal bevor?
Der Geruch verbrannten Gummis stieg ihm in die Nase. Vor seinen Augen wurde es noch heller. Jon blieb zitternd stehen, wandte sich dem LKW zu und schloss die Augen.
Caterina beobachtete, wie der LKW, unter dessen riesengroßen Reifen schwarze Rauchwolken aufstiegen, in Bronlee hineinraste. Bronlee knallte wie ein zu tief fliegender Junikäfer gegen den Kühlergrill. Dann stürzte sein Körper unter den Wagen, und die Reifen verschmierten das, was von ihm übrig war, über den Highway, ehe der LKW zum Stehen kam. Der Gestank verbrannten Gummis und gekochten Blutes breitete sich in Sekundenschnelle aus.
Caterina schob die Glock in ihr Holster zurück, drehte sich um und ging über den Seitenstreifen mit dem Unkraut und den Salbeibüschen zurück zum Motel. Die Türen der Zimmer standen offen. Einige Leute hatten sich vor dem Gebäude versammelt und starrten auf den Highway und den Sattelschlepper, der quer auf der Fahrbahn stand. Ein erzürnt dreinblickender Mann sprach in sein Mobiltelefon.
Mit einem elektronischen Dietrich schloss sie die Tür zu Bronlees Zimmer auf. Mit einem schmalen Metallstäbchen öffnete sie die Kette und glitt hinein. Sie drückte die Tür mit der Schulter zu und sah sich um: offener Koffer auf einer Kommode, zerknitterter Bettüberwurf, Laptop auf dem
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