02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Tisch neben einem Fenster mit Vorhang.
Der Raum roch muffig. Nach Desinfektionsmittel und kaltem Rauch. Nach Hoffnungslosigkeit.
Die Scheinwerfer des Sattelschleppers beleuchten Bronlees Gestalt, als er sich umdreht und ihnen entgegenblickt.
Caterina blinzelte das Bild weg. Wer zum Teufel ließ sich lieber auf abscheuliche Weise überfahren, als eine saubere Kugel in den Kopf zu bekommen?
Sie ging zum Laptop hinüber und klappte ihn zu. Dann wandte sie sich dem Koffer zu und durchwühlte die zerknitterten T-Shirts, Jeans und Boxershorts. Leere Postkarte. Ein paar Fotos. Sie nahm eines davon. Ein pummeliges kleines Mädchen von etwa zehn oder elf Jahren, dessen lachendes Gesicht von braunen Locken umrahmt war und das auf einer Schaukel saß. Mit den Fingern ihrer rechten Hand bildete sie ein V – das Siegeszeichen.
Das mit deinem Daddy tut mir leid, Kleine.
Caterina legte das Foto zurück und fuhr fort, den Koffer zu durchsuchen. Nirgends eine Sicherheits-CD. Aber dafür fand sie einen Umschlag mit dem Absender BUSH-CENTER FÜR PSYCHOLOGISCHE FORSCHUNG. Sie zog ihn heraus und klappte den Koffer zu.
Der Adressat, ordentlich mit schwarzem Filzstift geschrieben, war DANTE PREJEAN. Caterina erkannte die flüssige Handschrift – eine aussterbende Kunst im einundzwanzigsten Jahrhundert – als die Dr. Johanna Moores, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Spezialeinsätze und führende Verhaltensforscherin, die seit einiger Zeit verschwunden war.
Caterina runzelte die Stirn. Gehörte dieser Dante Prejean nicht zu Bad Seed? War er nicht eins der Studienobjekte gewesen?
Sie wusste nicht viel über das Projekt, weil sie nichts darüber wissen musste; ihr Job verlangte es nicht. Trotzdem hatte sie gehört, es handle sich um eine Studie über die Entwicklung und Beobachtung von Psychopathen, die zehn Jahre lang durchgeführt worden war, ehe sie zwei Wochen zuvor mit einem lauten, hässlichen Knall und einer ganzen Reihe von Leichen in zwei Städten zu einem abrupten Ende gekommen war – in New Orleans und in Washington.
Was also wollte die vermisste Dr. Johanna Moore einem ihrer Studienobjekte schicken? Caterina spähte in den offenen Umschlag und entdeckte eine silbern glitzernde CD.
Interessant.
Caterina durchsuchte das Zimmer nach anderen Dingen, die Bronlee möglicherweise gestohlen hatte, konnte aber nichts finden. Sie kehrte zur Kommode zurück und nahm den Koffer. Sie klemmte den Laptop unter den Arm und verließ den abgestanden riechenden, leeren Raum.
Schnellen Schrittes überquerte sie den Parkplatz, während Sirenengeheul die heiße Wüstennacht zerriss. Blau-weiß-rote Lichter kreisten und erleuchteten die Menge, die sich am Rand des Highways versammelt hatte.
Caterina warf den Koffer in den Kofferraum ihres gemieteten Chargers. Sie setzte sich hinters Lenkrad und legte Laptop und Umschlag auf den Beifahrersitz. Ohne eine Sekunde zu zögern, verließ sie den Parkplatz des Motels und fuhr östlich in Richtung Interstate.
Die Scheinwerfer des Sattelschleppers beleuchten Bronlees Gestalt, als er sich umdreht und ihnen entgegenblickt.
Jemand oder etwas außer Caterina hatte ihn derart verängstigt, dass er lieber auf den Highway und vor den LKW gerannt war – etwas Unbekanntes, und das verstörte sie.
Bronlee hatte nicht versucht, sich herauszureden. Er hatte nicht versucht, sie zu schmieren oder mit ihr zu verhandeln. Er hatte nicht einmal das kleine Mädchen auf der Schaukel erwähnt, und obwohl das bedeutete, dass er die CD bereits weitergeschickt oder verkauft hatte, erklärte das nicht sein Verhalten.
Als Caterina den Charger vom dunklen Highway auf die Autobahnauffahrt der I-15 lenkte und aufs Gas trat, kreiste immer wieder ein Warum durch ihren Kopf. Warum gehörte nicht zu ihren Aufgaben. Es hätte nicht einmal zu ihrem Wortschatz gehören sollen, und bisher war das auch nie ein Problem gewesen.
Bisher.
Sie hätte schwören können, Erleichterung auf Bronlees Gesicht gesehen zu haben, als er sich dem Sattelschlepper zuwandte.
Ihre Hände schlossen sich fester um das Lenkrad. Sie versuchte, sich auf die Straßen und die weißen verschwommenen Linien zu konzentrieren, die seitlich an ihr vorbeisausten. Warum?, dröhnte und surrte es in ihrem Inneren wie eine Fliege, die zwischen zwei Fenstern gefangen war. Sie schaltete das Radio an, und eine Musik mit Country-Anklängen drang aus den Lautsprechern.
Das Dröhnen und Surren wurde leiser, als sie den Worten des Songs lauschte:
I
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