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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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drei Meter dicken Pfählen errichtet, die tief im Flussbett verankert worden waren. Keren hätte gern geglaubt, dass der Pier solide genug gebaut war, um den marodierenden Zerstörer aufzuhalten, aber sie war sich nicht mehr sicher, zerrte das Pferd am Zügel herum und trieb es die lange Rampe hinauf, die aus der Wrackstadt hinausführte. Zum Glück befand sie sich vor dem unkontrollierten Mob und ritt auf eine breite Pfahlstraße, die nach Westen abbog und durch ein Viertel mit eng zusammenstehenden Lagerhäusern führte. Dort zügelte sie ihr Pferd und sah gerade noch, wie das glühende Schiff den Hauptpier der Wrackstadt erreichte. Er brach und splitterte, als wäre er aus Kienspan gemacht, und riesige, geborstene Holzstücke flogen durch die Luft, als das Schiff sich durch die langen, schweren Planken fraß und sich in die gewaltigen Rahmenkonstruktion der Stützpfeiler bohrte, die den Südlichen Brückenbezirk stützten.
    Sie verfolgte ungläubig, wie das Schiff, das ohne Zweifel von der Macht des Brunn-Quell angetrieben wurde, aus ihrem Blickfeld verschwand. Doch sie konnte die Vernichtung hören, die es verbreitete, fühlte die Planken unter ihren Füßen erbeben und sah, wie die Menschen aus ihren Geschäften und Heimen stürzten. Plötzlich schwankte eine lange Reihe von dicht zusammenstehenden Häusern und fiel in sich zusammen. Wo sie gestanden hatten, klaffte jetzt ein gähnender Schlund. Große, fest gezimmerte Warenhäuser versanken im Boden oder kippten langsam seitlich hinein. Viele der zusätzlichen Stützen des Brückenbezirks waren im Lauf der Jahre in einem unübersichtlichen Geflecht verbunden worden. Ihre Balken ruhten auf Rahmen, die an tragenden Wänden oder Querbalken befestigt waren, die alles mit sich in die Tiefe reißen würden, wenn sie zusammenbrachen. Unmittelbar vor Keren brachte sich eine Gruppe von Menschen hastig in Sicherheit, als sich der Abschnitt des breiten Steges, von dem aus sie der Verheerung zugesehen hatten, nach vorn neigte und langsam auseinander brach.
    Keren konnte ihnen nicht helfen, denn sie hatte alle Hände voll zu tun, ihr Pferd zu beruhigen. Während sie das panische Tier von dem Spalt wegtrieb, der immer größer wurde, gab der Pfahlweg, auf dem sie ritt, ein schreckliches Ächzen von sich und neigte sich zur Seite. Ich darf nicht hier bleiben!, dachte sie. Sonst bin ich des Todes! Sie schlug ihrem Pferd die Hacken in die Flanken und trieb es über den schwankenden Pfahlweg zu einer Kreuzung, von der sie auf eine niedriger gelegene Durchgangsstraße abbog, die nach einem kurzen Stück anstieg, nach Norden abschwenkte und dabei fast parallel zu dem Abgrund der Vernichtung verlief. Als Keren den höchsten Punkt der Straße erreichte, blickte sie auf die Katastrophe zurück, die sich hinter ihr abspielte. Ihr war klar, dass dort hunderte von Menschen starben, und das Entsetzen schnürte ihr den Magen zusammen.
    Dann tauchte das schimmernde Brunn-Quell-Schiff krachend auf der Nordseite des Brückenbezirks wieder auf und zerstörte dabei einen Verladepier. Wrackteile übersäten das Wasser, als das Schiff hinaus auf die schwarzen Wogen des Sarlek-Sees fuhr. Keren atmete tief durch, konnte jedoch trotz ihrer Furcht den verängstigten Blick nicht von dem Chaos hinter ihr losreißen.
    Ihren Augen bot sich ein Gewirr aus zerborstenen Balken, zusammengebrochenen Wänden, Dächern und verdrehten, schmiedeeisernen Geländern. Einigen Gebäuden fehlten die Wände, und sie sah Schlafräume, Küchen, Kontore und Geschäfte, in die Wasser aus zerfetzten Rohren strömte, während die Glut aus vielen Kaminen überall kleine Feuer entzündete. Leichen lagen auf eingestürzten Böden, waren auf hochstehende Balken aufgespießt oder dümpelten regungslos zwischen dem Schutt…
    Sie wandte den Blick ab und sah nach Norden. Das verfluchte Schiff wendete fast gemächlich und nahm offensichtlich Kurs auf die östlich gelegenen Viertel des Brückenbezirks, ohne seine Geschwindigkeit auch nur im Geringsten zu vermindern. Keren malte sich aus, wie das fürchterliche Schiff immer neue Schneisen durch den Brückenbezirk zog, bis das ganze Viertel nur noch aus einer weiten Fläche aus Tod und Vernichtung bestand. Der Impuls durchfuhr sie, auf das Schiff zuzureiten, irgendwie an Bord zu springen und denjenigen zu stellen, der hinter all dem steckte …
    Und der dich dann vermutlich mit einem einzigen Blick umbringt, erwiderte ihr Verstand. Medwin! Dachte sie. Ich muss ihn finden.
    Das jedoch

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