02 - Schatten-Götter
des Geflügelten Geistes unternommen, der jedoch nur einen schwachen und sehr entfernten Hinweis auf Kerens Aufenthaltsort gegeben hatte. Dafür hatte jedoch die Anrufung des Geflügelten Geistes seine Kraft erschöpft und ihn gezwungen, sich in dieses Haus zurückzuziehen, das einem Freund von Golwyth gehörte. Ein Diener war vorausgeschickt worden, und ein wärmendes Feuer brannte auf dem eisernen Rost des Kamins. Medwin beschloss, diesen Moment zu nutzen und sich hinzulegen, bevor er einfach umfiel. Er schloss die Fensterläden, zog die Vorhänge vor und stolperte zu dem mit Fellen übersäten Bett, das nach Kräutern und den süßen Aromen des Waldes duftete. Eine Lampe glühte auf einem Regal über seinem Kopf, aber der Impuls, sie zu löschen, wurde vom Schlaf übermannt …
Er träumte, dass er durch ein merkwürdiges Haus ging, in welches nur graues Tageslicht durch einige schmale Fenster hineindrang. Es wirkte merkwürdig öde und farblos, während er durch die lange, schmale Diele ging, in eine Spülküche gelangte, der sich ein Raum voller überquellender Regale anschloss, und schließlich in einen breiten, dunklen Gang hinaustrat, der vor einer Doppeltür endete, deren Flügel einen Spalt offen standen. Dahinter lag ein großer, heller Raum, auf dessen Tischen sich alle Arten von Holz stapelten, und an dessen Regalen gefirnisste Stücke zum Trocknen hingen, sowie Rahmen, auf die Leder in bestimmte Formen gespannt war. Sägemehl und Holzreste übersäten den Boden, und es roch nach würzigem Harz. In dem Raum arbeitete ein großer, dunkelhaariger Mann an einem Stück, das er in eine Werkbank eingeklemmt hatte, und als Medwin zu ihm ging, meldete sich ein seltsames Gefühl von Vertrautheit. Dann sah er die Pferdefiguren und Amulette, die in den Wandnischen standen und lagen, und in dem Moment richtete sich der Mann auf. Medwin war vollkommen überrascht. Es war sein Großvater, Jharlo Medwin, der viele Jahre als Tischler in der Nähe von Adnagaur gearbeitet hatte. Medwin war noch ziemlich jung gewesen, als sein Großvater Jharlo offenbar dem Rest seiner Familie gestanden hatte, dass er sein ganzes Leben lang ein heimlicher Anhänger des Himmelspferd-Glaubens gewesen war. Medwins Mutter hatte einmal eine entsprechende Bemerkung zu seinem Vater gemacht, als sie beide glaubten, dass Medwin nicht in der Nähe wäre. Sie sagte, es »wäre Zeitverschwendung, ein Tier anzubeten, und eine Schande dazu«. Ihre Besuche in der Werkstatt des Großvaters wurden danach seltener.
Als Medwin sich näherte, schaute sein Großvater hoch und lächelte, arbeitete jedoch weiter. Mit seinen großen, rissigen Händen hielt und schliff er eine kleine Figur, die Statue eines Jungen auf einem Pferd, die aus schönem, dichtem Holz geschnitzt war. Medwin starrte sie an und musterte die anderen Schnitzereien in dem Raum. »Ist das eine Opfergabe, Großvater? Willst du sie dem Himmelspferd weihen?«
Der ältere Mann lachte leise. »Ach, Junge, das hier ist nur ein geschnitztes Figürchen. Manchmal, weißt du, ist ein Pferd nur ein Pferd …«
Der Traum löste sich auf, als Medwin die Augen öffnete und unbehaglich in das Licht der Lampe über seinem Kopf blinzelte. Er richtete sich auf, öffnete die Glastür der Laterne, blies die Flamme aus und machte es sich dann wieder unter den warmen Fellen bequem.
Und manchmal ist ein Traum nur ein Traum, dachte er, aber es klang selbst in Gedanken nicht sehr überzeugend. In einer warmen Kammer im Tagfried des Kaiserlichen Palastes lag Tauric in seinem großen, mit Schnitzereien verzierten Bett und umklammerte im Schlaf den Himmelspferd-Anhänger. In seinem Traum befand er sich in einer Krypta, die von einem schimmernden Licht erhellt wurde, und ging auf der Suche nach einem Ausgang zwischen Reihen von alten Pfeilern entlang. In regelmäßigen Abständen waren große Alkoven in die Wände eingelassen, die mit einer Fülle von fabelhaften Bäumen, Blumen und Ranken verziert waren, die sich miteinander verwoben und wunderbar detailliert gearbeitet waren. Die Nischen boten den schrägstehenden Sarkophagen von Königen und Königinnen, Magiern und Priestern Raum, die auf den Gemälden gezeigt wurden, die neben jedem Alkoven hingen.
Während Tauric an ihnen vorüberging, lächelten ihn die Gestalten auf den Gemälden an, kletterten herab, schüttelten ihm die Hand, priesen seine Taten, fragten staunend nach seinem metallenen Arm und begleiteten ihn auf seinem Weg durch die Krypta. Ein- oder
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