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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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zweimal glaubte er, einen schwarzen Hund zwischen den Pfeilern hindurchlaufen zu sehen, tat es jedoch als ein Spiel der Schatten ab. Bereits nach kurzer Zeit folgte ihm eine recht beachtliche Anzahl von Monarchen, Magiern und Priestern, bis er merkte, dass sie ihn führten und in eine bestimmte Richtung steuerten.
    Kurz daraufkam die erlauchte Prozession vor einem sehr beeindruckenden Gemälde eines großartigen weißen Hengstes zum Stehen. Das Pferd war die Verkörperung von rassigem Geblüt und stand vor einem ruhigen See zwischen bewaldeten Hügeln. Auf der anderen Seite des Sees erhob sich ein Tempel mit einer Kuppel. Einen Moment betrachtete Tauric das Bild und fragte sich, warum sie ihn ausgerechnet hierher geführt hatten. Ein großer, majestätischer Mann in einer blauen Rüstung und einem langen, roten Umhang trat vor. Er trug eine schwarze Krone, die einer mit Türmen bestückten Zitadelle ähnelte, und klopfte mit den Knöcheln gegen die harte, trockene Oberfläche des Bildes. Er lächelte Tauric wortlos an, der mit den Schultern zuckte und seinem Beispiel folgte … und nach vorn stolperte, als seine Hand ohne Widerstand in das Gemälde einsank.
    Keuchend riss er die Hand heraus und taumelte ein wenig zurück. Seine elegant gekleideten Zuschauer lachten über seine Angst, zwinkerten sich zu und stießen sich mit den Ellbogen an, zeigten auf das gemalte Pferd. Dann ermunterten sie ihn, in das Bildnis hineinzutreten.
    Was für ein wundervolles Tier, schienen sie zu sagen. Es gebührt nur dem Mutigsten, dem hingebungsvollsten Anführer.
    Tauric nickte, richtete sich zuversichtlich auf, biss entschlossen die Zähne zusammen und sah das Pferd selbstbewusst an. Ja, er verdiente eine solche Kreatur als Reitpferd, also baute er sich vor dem Gemälde auf, hob den linken Fuß und sprang hinein.
    Der Boden auf der anderen Seite war höher, als er gedacht hatte, und beim Aufprall stauchte er sich schmerzhaft die Beine. Und außerdem war es kälter und erheblich dunkler in dem Gemälde, als es ausgesehen hatte. Ein Wind fegte durch die Büsche und Zweige und wehte das Laub vor sich über die Lichtung und auf die unruhige Oberfläche des Sees. Das Pferd entsprach ebenfalls nicht Taurics Erwartung. Es galoppierte panisch über die Lichtung. Als es Tauric sah, wirbelte es zu ihm herum, senkte seinen großen Kopf und stieß ihn an, als wollte es ihn auffordern, zu fliehen. Tauric versuchte, das Geschöpf zu beruhigen, streichelte seinen Hals und seine Schulter und raunte ihm beruhigende, sinnlose Worte zu.
    Gerade als das Pferd ruhiger wurde, ertönte jenseits des Sees ein ungeheures, bestialisches Brüllen. Tauric fühlte, wie das Pferd zu zittern begann und vor ihm zurückwich. Aber er hielt sich an der Mähne fest und schlang seinen Arm über seinen Hals.
    »Nein, warte, Bruder Pferd!«, rief er. »Bleib bei mir …!«
    Rasch sprang er hoch und schwang sich auf den Rücken des Pferdes, noch während das unsichtbare Monster bellte und sich lautstark einen Weg durch den Wald in ihre Richtung bahnte.
    Der weiße Hengst wieherte vor Angst und trottete zur Seite der Lichtung, aber der Wald erwies sich als ein undurchdringliches Dickicht.
    »Es gibt keine Flucht, Bruder«, sagte Tauric. »Wir müssen uns diesem Schrecken gemeinsam stellen …« Tauric hielt sich auf seinem Rücken fest, und der Hengst bäumte sich vor Entsetzen und Verzweiflung auf. Dann sprach er.
    »Welchen Weg sollen wir einschlagen, Sire, welchen Weg? Rasch, Ihr müsst entscheiden!« Verwirrt deutete Tauric direkt auf die herannahende Bedrohung. Der Hengst bäumte sich erneut auf und stürmte über die Lichtung, als eine riesige, gesichtslose Schwärze durch die Bäume brach und auf sie zuschoss … Tauric saß aufrecht im Bett, als er aufwachte. Er hatte die Augen weit aufgerissen und glaubte, dass er vor Schreck aus diesem merkwürdigen, grauenvollen Traum erwacht war. Doch dann hörte er die Stimmen vor seinem Schlafgemach, eine Faust schlug gegen seine Tür, und im nächsten Moment drangen seine Weißen Gefährten in die Kammer ein und berichteten ihm von den lebenden Fackeln, die überall auf den Stadtmauern brannten.
    In einem nach Norden gelegenen Raum im Turm der Silbernen Aggor traf Atroc seine Vorbereitungen für die bevorstehende Nacht. Er hatte die wenigen verrotteten Möbelstücke hinausgeworfen und die Vogelfedern und modrigen Blätter hinausgefegt.
    Er entzündete kein Feuer, sondern drei kleine Binsenlichter, hielt eine Wachskerze an zwei

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