02 - Schatten-Götter
erstreckten sich die unbehauenen Bohlen eines langen Gebäudes, neben dem eine Treppe zu einem Laufsteg hinaufführte. Atroc hielt sich an die Richtungsangaben des Kapitäns, stieg den Laufsteg hinauf und roch sofort den widerlichen und allmählich vertrauten Gestank von verbranntem Holz und Fellen. Auf seinem Weg zum Hafen war er an einigen Orten vorbeigekommen, die von den feindlichen Feuerkugeln verbrannt oder stark beschädigt worden waren. Hier ein Haus oder eine Werkstatt, dort die Fassade eines Gebäudes. Und alles überzog der überwältigende Gestank von verbranntem Fleisch und Hexerei. Der Steg hatte ein Geländer, auf das Atroc sich dankbar stützte, als er dem Anleger auf die andere Seite folgte, wo er sich zu einer auf Pfählen ruhenden Plattform verbreiterte. Yasgur stand dort in Pelze und einen schweren Mantel gehüllt, während er mürrisch auf das Feuer starrte, das auf dem privaten Landesteg tobte. Er sah sich um, als er Atrocs Schritte hörte.
»Endlich«, knurrte er und schaute dann wieder trübselig in die Flammen.
»Ah, mein Prinz, ich wäre schon viel früher an Eure Seite geeilt, besäße ich genug Verstand, Eure Bewegungen vorauszusehen …«
»Hüte deine Zunge, Alter«, erwiderte Yasgur finster. »Ich habe heute nicht die Geduld für spitzfindige Bemerkungen.«
Atroc lächelte und trat neben seinen Herrn. Unter ihnen mühten sich Wachen und Hafenarbeiter, Marmor und Schieferquader auf kleinen, hölzernem Rollwagen vor dem Feuer in Sicherheit zu bringen. Das Feuer loderte auf einem hohen Backstein-Stapel und einigen Haufen lockeren Erzes. Eisenerz, dachte Atroc, vielleicht auch Kupfererz. Und oben auf den Ziegeln lag ein rußiges Skelett.
Yasgur deutete auf eine lange Seebarke, die an der anderen Seite des privaten Docks vor Anker lag. »Die Wachen glauben, dass er versucht hat, auf das Schiff zu kommen, als er zu brennen begann.« Er schüttelte den Kopf. »Was auch immer in ihnen ist, es brennt ohne Rauch, bis es etwas trifft, das aus Holz oder Tuch ist. Die Ziegel und das Erz liegen zwar auf Steinen, aber die Hitze des Feuers lässt die Bohlen der Mole dampfen.« »Kann Wasser es nicht löschen?«, erkundigte sich Atroc.
»Wasser verbreitet es nur weiter, bis es schließlich verdampft.« Yasgur lachte heiser. »Sand vermag es zu löschen, aber das haben wir bedauerlicherweise zu spät herausgefunden. Wir warten darauf, dass die Schubkarren damit vom Flussufer zurückkommen.«
»Eine grausame Waffe, mein Prinz.«
»Eine Waffe des Schreckens, und darüber hinaus sehr wirkungsvoll.« Yasgur sah ihn an. »Und nur das Geringste ihrer geisterhaften Schrecknisse, denke ich. Ich war erst vierzehn während des Exodus, aber ich erinnere mich noch daran, was die Nachtjäger und Feuerfalken der Akolythen unter der Kaiserlichen Armee im Moor der Stelen angerichtet haben. Stell dir das hier in der Stadt vor.«
Atroc nahm die Trostlosigkeit in Yasgurs Stimme wahr, den Zweifel, die mangelnde Entschlossenheit, und runzelte bedenklich die Stirn.
»Wahrlich, eine Szenerie der Verheerung, mein Prinz«, sagte er. »Aber so etwas hat es schon vorher gegeben, und Bardow und das Konklave sind vorbereitet.«
»Auf einen Angriff von Armeen von Maskierten und Horden von Bestien?« Dann schien Yasgur sich zusammenzureißen, und wandte sich dann zu Atroc um. »Höre, ich muss wissen, ob deine Loyalität treu und scharf wie eine Klinge zu mir hält, bevor ich weiter rede.«
Atroc gab sich keine Mühe, sein Erschrecken zu verbergen. »Ich bin der dem Eid verpflichtete Seher! Wie ich Eurem Vater diente, werde ich Euch ebenfalls mit all meiner Weisheit und meiner Verschlagenheit dienen, die mir von der Träumenden Leere gegeben wurde. Mein Band zu Euch kann weder von Menschen noch von Göttern gebrochen werden!«
Seine Worte schienen den Lordregenten zu überzeugen, denn er lächelte ihn grimmig an. »Dann höre dies: Als ich gestern Nacht zum Fried zurückgekehrt bin, hat ein Mann, angeblich ein Abgesandter der Vier Gilden, um eine Privataudienz ersucht. Nachdem meine Leibgarde sich davon überzeugt hatte, dass er unbewaffnet war, habe ich ihn ins Vorzimmer gebeten. Als wir allein waren, hat er mir das hier gegeben …«
Aus seinem Pelz zog er ein zusammengefaltetes Stück grobes Pergament und reichte es Atroc. Der Seher klappte es auf und las die kurze, in einer schlichten Handschrift notierte Nachricht.
Von Welgarak, dem Oberhäuptling des Schwarzmond-Clans, und Gordag, dem Oberhäuptling des
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