02 - Schatten-Götter
Schmiedewerkstätten von Rauthaz angefertigt worden und bildete das Gegenstück zu dem Käfig, in dem Ystregul saß. Er war so entworfen, dass er Thraelor, den Schattenkönig von Casall, fesseln würde, falls das notwendig werden sollte.
»Ja, er ist fertig.«
»Und Grazaan?«
»Sollte bald zu uns stoßen.«
Byrnak schaute wieder zu den Wolfstatuen und betrachtete die großen Wandbehänge, deren Einzelheiten in dem schwachen Licht kaum zu sehen waren. Es war sehr ruhig.
»Ich war schon länger nicht mehr hier«, sagte er leise. »Alles scheint irgendwie anders …«
Kodel nickte und lächelte merkwürdig. »Es hat tatsächlich einige Veränderungen gegeben. Sollen wir uns ankündigen? Grazaan kann folgen, wenn er bereit ist.«
Er forderte Byrnak auf, voranzugehen, doch bevor der die Doppeltüren erreichte, schwangen sie auf, und die beiden Schattenkönige wurden von Thraelors Gesicht begrüßt…
… und dem Körper einer jungen Frau, die wie eine Priesterin gekleidet war und vor einem dicken, schwarzbraunen Vorhang stand. Sie lächelte mit vertrauten, ausdrucksvollen Lippen, während ihr Blick von Kodel zu Byrnak und wieder zurück glitt.
»Der große Gebieter Thraelor wird heute niemanden empfangen und hat beschlossen, dass alle ungebetenen Besucher ein Glied verlieren, das zufällig ausgewählt wird …«
Kodel schüttelte den Kopf, legte seine Hand um ihre Taille, zog sie an sich und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. »Aber nein, schöne Herrin der Türen, Euer Gebieter wird uns empfangen, das verspreche ich Euch.« Er grinste Byrnak mutwillig zu und marschierte durch die schweren Vorhänge. Die Frau lächelte immer noch, näherte sich Byrnak, schlang ihre Arme um seinen Hals und hob das Gesicht.
»Ich glaube eher nicht«, sagte er, befreite sich barsch aus ihrer Umarmung und folgte Kodel durch den Vorhang. Der große Thronsaal des Roten Turmes war lang und hoch, mit nach innen gewölbten Wänden, welche in regelmäßigen Abständen ein Meter breite Bänder aus gefärbtem Glas schmückten. Sie waren offenbar dafür ausgelegt, von hinten von einer Reihe von Lampen beleuchtet zu werden, aber es waren nur sehr wenige entzündet, immer nur eine dicht über dem Boden.
Über den gefliesten Boden wandelten Leute, die sich gelegentlich zu kleinen Gruppen zusammenscharten. Man hörte Gemurmel, Schluchzen und trostloses Lachen. Alle waren sehr ärmlich oder gar zerlumpt gekleidet, und einige stanken nach Bier und Schmutz, aber alle trugen dasselbe Gesicht, Thraelors Züge. Am anderen Ende drängten sich mehrere Personen um den Thron, auf dem eine zusammengesunkene, undefinierbare Gestalt saß. Die hohe Statue hinter dem Thron erregte Byrnaks Aufmerksamkeit und löste Unbehagen in ihm aus. Sie ragte fast drei Viertel der Höhe des Raumes empor und zeigte Thraelor in voller Rüstung, nur trug er eine schlanke Krone auf dem Kopf statt eines Helmes. Mit einer Hand hielt er den oberen Rand eines konkaven, mit einem Wappen geschmückten Schildes, dessen Spitze auf dem Podest ruhte, und mit der anderen umklammerte er einen kurzen Speer. Der Kopf der Gestalt saß auf einem verlängerten Hals, um jeden anzusehen, der unmittelbar vor dem Thron stand. Seine Züge waren entstellt von unverhüllter und entzückter Boshaftigkeit. Im Kontrast wirkte die Person auf dem Thron dünn und ausgemergelt. Ihr langer Übermantel bestand aus schwerer Seide, und braune Stoffbahnen hüllten sie ein. Das Gesicht war hager und die Handgelenke und Hände waren knochig und schrumpelig.
»Seid gegrüßt, Brüder. Es ist eine Ehre, euch an meinem Hof zu begrüßen, aber euer Besuch kommt etwas überraschend. Warum habt ihr euch nicht angekündigt?«
»Es wurden Sorgen laut, was dein Wohlergehen angeht, Bruder«, erwiderte Kodel jovial. »Wir wollten uns selbst von deiner Gesundheit überzeugen.«
Thraelor lächelte und schüttelte den Kopf. »Ah, Grazaans Sorgen, meinst du wohl. Warum ist er denn nicht hier?«
»Wir erwarten ihn in Kürze«, sagte Byrnak, stieg die Treppe zum Thron hinauf und stützte seinen Arm auf die Lehne. »Aber im Moment bin ich neugierig zu erfahren, warum all diese Leute dein Gesicht tragen.« »Wir konnten nicht umhin zu bemerken, dass es um deinen körperlichen Zustand nicht zum Besten steht«, sagte Kodel.
Thraelor schaute sichtlich amüsiert von einem zum anderen. »Warum ich mein Gesicht diesem Abschaum aus Casall aufgepflanzt habe, fragt ihr? Bevor ich antworte, würde ich euch selbst gern ein paar
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