02 - Schatten-Götter
gewürztem Wein ab. Während Atroc sich erleichtert auf einen Kasten auf der anderen Seite des Feuerkorbs fallen ließ, blies Yasgur über den Becher, trank einen Schluck und dachte nach.
Tauric war seit mehr als einem Tag verschwunden, und er selbst hatte sich in dieser Zeit von Bardow und dem Hohen Konklave ferngehalten. Die Schuldgefühle wegen seiner Entscheidüng, die Verbündeten im Stich zu lassen, machten ihm zu schaffen, und er wollte lieber unbeobachtet darunter leiden. Wenn seine Verbündeten das herausfanden, würden sie sein Tun als tödlichen Verrat betrachten, auch wenn er nur erreichen wollte, seinen Clan und die Kriegshorde der Mogaun aus dem bevorstehenden Konflikt herauszuhalten und nicht beabsichtigte, sich aktiv an der Vernichtung von Besh-Darok zu beteiligen. Sein Magen fühlte sich schon jetzt an, als wäre er voller Steine, und im Mund schmeckte er bittere Asche, aber wenigstens sein Clan und sein Volk würden überleben. Letzten Endes war er vor allem ihnen verpflichtet. Natürlich wusste er nicht, ob überhaupt die Möglichkeit bestand, dass die Masse der Mogaun abtrünnig werden würde, aber er war sicher, dass er einen sehr großen Teil von ihnen überzeugen konnte.
Er hob den Kopf und schaute durch die Türen nach draußen. Dabei bemerkte er, wie Atroc ihn nachdenklich musterte. Der alte Seher wandte sofort den Blick ab, und Yasgur wollte ihn gerade fragen, warum er das tat, als jemand von der Deckkajüte hinunter rief.
»Ein Licht steuerbord voraus!«
»Endlich«, murmelte Atroc, stand auf, lehnte sich an die Tür und spähte hinaus.
»Geht dir etwas im Kopf herum, Alter?«, fragte Yasgur. »Irgendwelche letzten Zweifel?«
»Wäret Ihr verstimmt, wenn ich diese Frage bejahen müsste, Herr?«
»Nein, aber ich möchte den Grund hören.«
Atroc drehte sich halb herum und warf Yasgur einen Seitenblick zu. »Das ist… schwer zu erklären. Die Türen der Träume öffnen sich nie weit genug.«
Seine Worte beunruhigten Yasgur. Er hob einen Schürhaken mit einem Holzgriff vom Boden hoch und fuhrwerkte in der Glut des Feuerkorbes herum. Hellorange Flammen loderten in den Kohlen auf, winzige Funken stoben, und heiße Asche fiel zischend in die Wasserschütte darunter.
»Hast du die Zukunft gesehen?«, fragte der Lordregent.
Ein Seufzen antwortete ihm. »Ich habe nur die Träume gesehen, welche die Leere träumt, mein Herr und Meister. Vielleicht sind wir selbst ja auch nur ein Traum der Leere und versuchen herauszufinden, warum die Leere uns ausgerechnet auf diese besondere Art träumt…« Der alte Mogaun lachte plötzlich. »Aber wisset das eine, mein Prinz: Ich bin Euer Seher, durch meinen eigenen Eid gebunden, und meine Loyalität gilt Euch, auch wenn ich der Leere vertraue.«
Yasgur schaute überrascht hoch. »Du … vertraust der Leere?«
»Aye, Herr, so wie ich auch darauf vertraue, dass Ihr eines Tages eine Tochter des Clans zur Frau erwählt, damit sie Euch einen Erben schenkt!«
Sie lachten beide über diese Bemerkung, und Yasgur schüttelte den Kopf. »Such mir eine, der nicht ihre Mutter aus den Augen schaut«, sagte er. »Dann diene ich gern dem Clan, so gut ich es vermag …« In der grauen Dämmerung tauchte ein kleines Schiff mit einem einzelnen, quadratischen Segel auf, das mühelos durch die Wogen pflügte. Es hatte ein schlankes Deck, einen abschüssigen Baldachin am Heck und sein Rumpf wies helle Holzflecken auf, die von frischen Reparaturen kündeten. Als Yasgur hinaustrat, um besser sehen zu können, steuerte das Schiff längsseits ihres Schoners, während die Mannschaft hastig die Segel einholte und Taue hinüberwarf, um die beiden Schiffe miteinander zu verbinden. Yasgurs Boot war eines der wenigen, die ausschließlich von der Stadtmiliz und von ihm selbst benutzt wurden, und seine gänzlich aus Mogaun bestehende Mannschaft war ihm treu ergeben.
Die Matrosen des anderen Schiffes waren ebenfalls Mogaun, jedenfalls nach den Rufen zu urteilen, die hin und her flogen, und es schienen recht viele für ein so kleines Schiff zu sein. Auf jedem Schiff wurden weitere Lampen entzündet, und Yasgur runzelte die Stirn, als er sah, dass einige der Seeleute mit Keulen und Speeren bewaffnet waren. Er winkte seinen Kapitän zu sich, einem grauhaarigen Mogaun mit schwarzen Zahnstummeln namens Uskog, und beschrieb ihm die Situation.
»Soll ich befehlen, die Bögen herauszuholen, Herr?« Sein hoffnungsvoller, boshafter Blick war unmissverständlich.
»Nein, noch nicht«,
Weitere Kostenlose Bücher