02 - Schatten-Götter
woanders dringende Geschäfte auf Euch?«, fragte er.
»Die Blinde Rina und ihre Leute glauben, dass sie unseren Bannwirker an den Lagerhäusern und Viehscheunen des Langen Kais aufgespürt haben. Ich wäre gern diejenige, die ihn fängt.«
»Dann geht mit ihnen«, sagte er lächelnd. »Wenn ich Euch brauche, schicke ich Euch eine Nachricht.« Nachdem Nerek gegangen war, trat Alael neben ihn und betrachtete das glänzende Schwert. »Ich kann beinahe seine … Präsenz fühlen«, sagte sie. »Als wüsste es, was es ist.« Sie runzelte die Stirn. »Wer wird es führen?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Bardow, und zog den staubigen, angekokelten Handschuh aus. »Ich muss noch darüber nachdenken.«
Obwohl ich glaube, dass meine Wahl wenig Einfluss auf die Entscheidung des Schwertes hat.
In der warmen Nachmittagssonne bot sich am Seeufer eine idyllische Szenerie. Kinder spielten im flachen Wasser, kleine Boote fischten auf dem friedlichen See, Menschen spazierten oder ritten über die Uferpromenade in der Nähe der eleganten Stadt mit ihren weißen Türmen, die kaum eine Meile entfernt war. Hexenmähren. Überall gab es kleine Stämme von ihnen, Familien und kleinere Gruppen, die meisten mit Fohlen und Jährlingen, und alle wirkten so weise und edel mit ihrem glänzenden Fell und den langen, schimmernden Mähnen …
Tauric seufzte und setzte sich auf einen Stuhl, der am Fuß des Hügels stand, den er und Shondareth gerade heruntergestiegen waren. Auf der Hügelkuppe stand eine ausgedehnte Ansammlung von miteinander verbundenen Zelten und Markisen, die alle hell und prachtvoll geschmückt waren, und unter denen zahlreiche Hexenmähren und gewöhnliche Menschen umhergingen. Das war der Hof der großen Leitstute der Hexenmähren, die hier residierte, Besucher empfing, Weisheit unters Volk brachte und sich die Sagenlieder anhörte, die ihr zu Ehren komponiert wurden.
Sie alle, die Menschen und die Hexenmähren, der See, der Strand und die Sonne, jede kleinste Einzelheit war eine fabelhafte Illusion, die eine einzige Hexenmähre gewoben hatte, mit Hilfe der geheimnisvollen Macht der Zwischenwelt.
»Wie Ihr seht«, sagte Shondareth, »ist Aegomarl wie die anderen Hexenmähren sehr zufrieden mit ihrem Innerland.«
»Ich kann nicht glauben, dass Ihr alle so gleichgültig und hartherzig unserem Anliegen gegenüber steht«, gab Tauric bissig zurück.
»Das tun wir auch nicht«, erwiderte die Hexenmähre. »Wir wissen einfach nur, dass der Feind zu übermächtig ist. Es gibt noch einhundertsechsundachtzig von uns, die ebenso empfinden. Möchtet Ihr die anderen ebenfalls sprechen?«
Antworte mit Ja,
sagte der Geist des Vater-Baumes in seinem Kopf.
Tauric lächelte. »Aber gewiss doch.«
Shondareth schüttelte langsam den Kopf und schaute zur Seite. Ein Weg erschien, der von dem Pfad abzweigte und zu einem dichten Wäldchen am Fuß des Hügels führte. Sie folgten ihm, gelangten zu den Bäumen und traten bald auf eine Lichtung neben einem Teich, der von einem uralten, mächtigen Agathon-Baum überschattet wurde. Die großen, hellen Äste ragten weit empor in den Himmel. Wie zuvor saß Ghazrek auf einer Steinbank an dem Teich und aß von einem goldenen Teller mit Süßigkeiten und Gebackenem. Er schaute hoch, als sie sich ihm näherten.
»Wie lange?«, fragte er.
»Anderthalb Tage vielleicht«, meinte Tauric.
Ghazrek spie einen Fruchtkern aus und lachte hustend. »Ihr wart nicht einmal zehn Minuten weg!« Tauric grinste. »Ich wünschte, ich würde an Eurer Stelle sitzen.«
»Es gibt noch genug Platz, Eure Majestät«, erwiderte der Mogaun und deutete auf die Bank.
Noch nicht,
widersprach der Vater-Baum.
Ich muss noch mehr von ihnen sehen.
Wonach sucht Ihr?, fragte Tauric in Gedanken.
Nach einer Kleinigkeit: Schuldbewusstsein.
Die beiden nächsten Innenländer ähnelten sehr denen, die sie bereits gesehen hatten. Auch hier wurde eitler Ruhm zur Schau gestellt, und keine der Kreaturen war auch nur bereit, Tauric zu empfangen, geschweige denn, die Probleme des eingeschlossenen Besh-Darok zu diskutieren. Während jedoch Tauric immer niedergeschlagener wurde, schien der Vater-Baum immer mehr Optimismus zu empfinden und drängte ihn, weiterzumachen.
Müde und resigniert führte Shondareth ihn von dem Teich und Ghzarek mit seinen Süßigkeiten weg auf einen anderen der zahlreichen schmalen Pfade, die das Wäldchen durchzogen. Der Baumbestand lichtete sich, und der Himmel war grau und bewölkt. Es blieb warm und
Weitere Kostenlose Bücher