02 - Schatten-Götter
feucht, und als sie sich dem Rand des Wäldchens näherten, hörte Tauric weit entfernten Donner.
Sie kamen zu einem grasbewachsenen Hang, der in eine weite Fläche Ackerland überging, das von Gehölzen und Obstgärten gesprenkelt war, durch die sich Karrenwege und Hecken zogen. Ein schläfriger Friede beherrschte diese Landschaft, und die Ruhe wurde nur von den Schäfern und Viehtreibern gestört, die sich in der Ferne etwas zuriefen.
»Hier entlang, junger Forscher«, sagte Shondareth.
Als Tauric sich umdrehte, wurde er von einem majestätischen Anblick überrascht. Die Hügel hinter dem Wald wechselten sich mit felsigen Hängen ab, die immer öder und steiniger wurden, je weiter sie anstiegen, während weiter oben Kämme und Grate aus den riesigen Flanken des Gebirges abzweigten, das sich wie eine gigantische Mauer durch das Land zog. Als er der Hexenmähre folgte, sah Tauric, dass die ersten Berge etwas niedriger waren, und dahinter ein steiles Vorgebirge aufstieg, auf dessen höchstem Punkt Tauric gerade noch ein Kuppelgebäude und eine Ansammlung kleinerer Türme ausmachen konnte.
Das war Trevada auf dem Oshang Dakhal, was bedeutete, dass dieses Land Nordwest-Anghatan war, ein weit realerer Ort als die anderen Innenländer, die er bis jetzt gesehen hatte.
Vielleicht lässt sich der Schöpfer dieses Landes ja eher überzeugen, dachte er.
Es ist noch zu früh, um das zu sagen.
Shondareth führte ihn in ein von Bäumen geschütztes Tal, wo einige Katen sich neben einer Wassermühle an ein Flussufer drängten. Aus einigen Schornsteinen stieg Rauch auf, aber auch hier herrschte ruhige Gelassenheit. Niemand war zu sehen. In der Nähe der Mühle befand sich eine Scheune, und Tauric hörte, wie eine Frau dort Verse rezitierte. Er blieb an der Tür stehen und bedeutete Shondareth zu warten, bis die Frau unter dem höflichen Applaus einiger Hände zu Ende gesprochen hatte. Dann erhob sich eine männliche Stimme. »Ein Vortrag, der ans Melodramatische grenzte, ohne jedoch darin zu verfallen! Gut gemacht, Pel. Und Suvi, was möchtest du mir zu Gehör bringen?«
»Eine bäuerliche Klage aus Ebro' Heth«, sagte eine andere Frau.
»Gut, gut, fang an.«
Die unsichtbare Frau namens Suvi begann. Obwohl das Gedicht voller Trauer und Bedauern war, blieb die Stimme der Frau kräftig und wohltönend. Am Ende jedoch wurde ihr Tonfall sanfter.
»Unter den Geheimnissen der Sonne,
Unter dem Leid der Ewigkeit,
Liegt das süße Herz aller Dinge.
Dort werde ich Ruhe finden,
Eingehüllt von Liedern und Sternen,
Und der freudigen, alles verzehrenden Flamme.«
»Sehr gut ausgedrückt, vor allen in den letzten Versen«, sagte die männliche Stimme. »Uns bleibt noch genug Zeit für weitere Vergnügungen, doch zunächst wollen wir unsere Gäste begrüßen.« Tauric sah Shondareth überrascht an, aber die Hexenmähre deutete nur mit dem Kopf auf die Scheune. Gemeinsam traten sie ein. An den Wänden hingen Gemälde, Teppiche und eine Auswahl von Musikinstrumenten, und zwischen den Dachbalken waren bunte Stoffbahnen gespannt. Zwei große Bronzelampen warfen ihr warmes Licht auf die drei verhüllten Gestalten, die mit dem Rücken zur Tür saßen. Vor ihnen lag eine große, alte Hexenmähre auf einem Strohhaufen, in den winzige rote Rosen gestreut waren. »Freudvolle Grüße an dich, Shondareth. Ich habe gehört, dass du für uns verloren wärst, weil eine Zauberei aus den Ödlanden dich aus unserem Reich gerissen hätte?«
»Das war allerdings mein unseliges Dilemma, o edler Thoumyrax, bis mir eine seltsame Kraft und dieser junge Mann hier einen Weg zur Rückkehr boten.«
Das liegende Pferd musterte Tauric abschätzend. »Bitte akzeptiert meinen herzlichsten Dank, dass Ihr meinen Freund zurückgebracht habt. Eurem Gewand und Eurem Verhalten nach zu urteilen stammt Ihr aus den Einöden. Seid Ihr dort Sklave oder Flüchtling?«
Einen Moment fehlten Tauric vor Verwirrung die Worte.
Wie soll ich antworten?, dachte er.
Sag ihm, wer du bist,
erwiderte der Vater-Baum.
Und was du willst. Sprich einfach und direkt.
»Geehrter Thoumyrax«, begann er. »Ich bin Tauric tor-Galantai, Kaiser von Besh-Darok, und ich stehe hier vor Euch, um Euch zu bitten, mit mir ins Zwischenreich zu kommen und uns in unserer größten Not zu helfen.« Es gab ein unbehagliches Schweigen, in dem die Hexenmähre Thourymax Tauric nur lange anstarrte. Die drei Frauen rührten sich nicht. Schließlich redete Shondareth.
»Nun, Thoumyrax? Wärst du bereit, dies
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