02 - Schatten-Götter
der regelmäßige Rhythmus der Kriegstrommeln den Klang der Hörner. Yasgur hatte die Trommler auf flachen Dächern neben der Hauptmauer postiert.
Die Befehle waren klar, und die Reihen der Bogenschützen und Axtkämpfer warteten auf den Wällen, während die wenigen Katapulte der Stadt vorbereitet wurden. Schon bald würde die schreckliche Schlacht beginnen. Nerek hatte den Fuß der langen Steintreppe erreicht, als die Hörner schmetterten. Sie lief unter dem hallenden Dröhnen der Kriegstrommeln über eine Nebenstraße, die von der Befestigungsmauer zur Shaska-Allee führte. Von hier gelangte sie auf gerader Strecke zu den Hauptkreuzungen und von dort weiter nach Osten über den Kapitänsweg. Die Eisen-Kaserne war von einer hohen Mauer umgeben, deren Eingang von zwei steinernen Statuen flankiert wurde, die bewaffnete Ritter zeigten. Beide wiesen Spuren jüngster Ausbesserungen auf. Sie näherte sich dem Tor, an dem einer der wachhabenden Offiziere vom Vortag sie erkannte und hineinließ. Die Stallungen befanden sich in einem langen, niedrigen Gebäude auf der Westseite des Exerzierplatzes. Die Werkstatt des Hufschmiedes lag an ihrem rückwärtigen Ende. Der Schmied führte sie zur Box ihres Pferdes, wo sie sich davon überzeugte, dass der Beschlag zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt worden war. Minuten später ritt sie aus den Toren der Kaserne.
Die Schlacht war in vollem Gang. Die feindlichen Kämpfer versuchten, die Zinnen über lange Sturmleitern zu erstürmen. Nerek blickte von ihrem Standort über die Dächer des Künstler- und Kollegviertels und das baumlose Gelände des Herrscher-Hains auf die lange südliche Mauer. Auf den Wällen tobten heftige Gefechte, und von den Wachtürmen hastete Verstärkung zu den umkämpftesten Stellen. Als sie an den Zwillingshügeln der Altstadt in nordwestlicher Richtung vorbeischaute, sah sie einen ähnlichen Kampf auf der Nordmauer. Die Verteidiger wankten anscheinend nicht und nutzten selbst den kleinsten Vorteil geschickt aus.
Plötzlich flammte hinter ihr ein Blitz auf, und als sie herumwirbelte, sah sie eine große, geflügelte Kreatur, die aus dem Himmel über dem Palast taumelte und ein abgehacktes Kreischen ausstieß, als sie dem Boden entgegenstürzte. Zwei der sechs Reiter, die auf ihrem Rücken saßen, wurden heruntergeschleudert, bevor die Kreatur die Schnauze senkte und die Flügel spreizte. Sie fegte dicht über die Außenwälle, kreiste und schlug dann außer Sicht hinter den Gebäuden südlich der Kaiserlichen Baracken auf.
Das musste einer von Byrnaks Nachtjägern sein. Vermutlich sollte er Krieger auf einem der Balkone des Hohen Turmes absetzen. Offenbar hielt dort jedoch jemand wachsam Ausschau, bereit, rasch zuzuschlagen. Das konnte nur Bardow sein. Aber sie hatte die Reiter auf dem Rücken des Nachtjägers gesehen und wusste, dass kein menschlicher Krieger gegen solche Kämpfer bestehen konnte. Da sie ohnehin auf dem Weg zu den Kaiserlichen Baracken gewesen war und sich für diese unvorhergesehene Gefahr gewappnet fühlte, wendete sie ihr Pferd und galoppierte so schnell sie konnte zum Palast hinauf.
Bardow fühlte sich in den ersten Augenblicken nach seinem Angriff auf den Nachtjäger ebenso erleichtert wie unbehaglich. Als der Sturm auf die Mauern begann, hatte er einige Gedankengesänge der Niederen Macht in seinem Kopf vorbereitet, unter anderem den der Sonnenlanze. Normalerweise wäre es ihn teuer zu stehen gekommen, diesen Bann zu wirken. Er wäre in eine Stunden dauernde Ohnmacht versunken, jetzt jedoch stützte er sich auf das Geländer des Balkons, während ihn nur ein leichter Schwindel packte.
Das Kristallauge, dachte er. Darauf eingestimmt zu sein, hat eindeutig Vorteile … Allerdings frage ich mich, was die Nachteile sind …
»Erzmagier! Seid Ihr verwundet?« Der Hauptmann der Paladine bewachte die große, von vielen Fenstern gesäumte Kammer, die Bardow als Beobachtungspunkt ausgewählt hatte.
»Mir geht es gut.« Er hob beschwichtigend die Hand. »Diese Kreatur ist in einer Straße in der Nähe der Kaiserlichen Baracken abgestürzt. Sendet Boten zu den Garnisonskommandeuren der Baracken und des Palastes, und schickt zwei Eurer Leute auf die nach Süden liegende Aggor, damit sie für mich Ausschau halten …« Der Paladin nickte, drehte sich um und gab entsprechende Befehle. Bardow atmete tief durch und spürte, wie eine lebendige Kraft ihn durchströmte. Er fühlte sich tatsächlich besser, auch wenn es ihm nicht gelang, die Sorgen
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