02 - Schatten-Götter
Glühendes unmittelbar unter dem Griff, eine kleine Rune …
Der Atem des Geistschattens rasselte und pfiff, und mit einem dampfenden, gurgelnden Seufzer sank er auf die Knie, rollte gegen die Wand und begann, sich aufzulösen.
»Du bist also Ikarno Mazaret«, sagte plötzlich eine seidenweiche, spöttische Stimme.
Es war einer der Suviel-Schatten, der wie einer der maskierten Soldaten gekleidet war, bis auf die silbernen Intarsien, die seine Kleidung schmückten. Das Ebenbild der Magierin betrachtete den verlöschenden Geistschatten amüsiert, während es langsam auf Mazaret zuging.
»Ich hätte auch nichts weniger als einen vollkommenen Sieg von dem echten Mazaret erwartet«, sagte der Geistschatten und legte eine Hand auf seinen Arm. »Schließe dich mir an, dann helfe ich dir, die anderen zu töten. Wir regieren Keshada gemeinsam, und du liebst mich, wie du sie geliebt hast…«
Mazaret betrachtete die Kreatur fasziniert, während andere Erinnerungen zurückkehrten. Und in seine wirbelnden Gedanken mischten sich die Worte der echten Suviel.
Es ist nicht nötig, sie alle um meinetwillen umzubringen.
Er schüttelte die Hand des Geistschattens ab und wich vor dem wutverzerrten Gesicht unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Niemals!«, schrie er und wandte sich zur Flucht.
Ein Schrei verfolgte ihn, während er floh.
»Der Herr des Zwielichts kommt, Ikarno Mazaret, und wenn er triumphiert, gehörst du mir, mir allein!« Keren benötigte mehrere Stunden Bedenkzeit und eine unruhige Nacht, bevor sie zögernd einwilligte, die beiden Abtrünnigen der Dämonenbrut in die Eingeweide von Jagreag zu begleiten. Als die beiden und Domas mit Waffen und einer Rüstung vor ihrer Kammer eintrafen, trugen die Streitkräfte der Theokratie von Jefren gerade einen entschlossenen Angriff gegen die uralte Festung vor. Ihre Kammer war eine von mehreren, die sich wie eine Wabe an eine hohe Klippe hoch oben an einen Berghang schmiegten. Sie sah verschiedene Familienquartiere, einen Kinderhort und eine Spülküche, als man sie durch ein viereckiges Portal nach draußen führte. Dahinter befand sich eine offene Plattform mit einer niedrigen Mauer, über die ein so kalter Wind peitschte, dass Keren vor Überraschung aufschrie.
Von der Plattform aus schlängelte sich eine lange Treppe mit rissigen, ausgetreten Stufen den Berg hinunter. Die meisten Stufen waren zwar vom Schnee geräumt worden, aber manche waren noch vereist, sodass Keren sehr vorsichtig darauf achtete, wohin sie ihre Füße setzte, während sie Domas und der Dämonenbrut folgte. Auf dem Weg nach unten kamen sie an Absätzen vorbei, auf denen Kinder auf den Schwellen offenstehender Türen spielten.
Kerens Aufmerksamkeit richtete sich jedoch mehr auf das Geschehen, das sich unter ihr abspielte. Aus dieser Höhe konnte sie in die Schluchten und Klüfte schauen, welche die von Geröll und Felsbrocken übersäten Hänge der Druandags durchschnitten. In ihnen drängten sich Truppen, Pferde, Karren und lange Reihen gefesselter Gefangener.
»Sie scheuen wirklich keine Mühe«, presste sie durch zusammengebissene Zähne an Domas gerichtet hervor. »Du solltest lieber sagen, dass sie nicht davor zurückscheuen, Menschenleben zu opfern«, erwiderte er. »Du wirst gleich sehen, was ich meine.«
Nach einigen Minuten des Abstiegs näherten sie sich dem Brennpunkt der Kämpfe, und sie verstand. Die Hauptbastionen von Untollan waren in die südwestliche Steilwand des Harang gehauen worden, der aus einer Reihe von glatten, geneigten Wällen bestand, die von einer schneebedeckten Faust aus Fels umklammert waren. Die Bastionen waren nicht zu bezwingen, außer an einer Stelle, wo ein breiter Felsvorsprung aus der Wand des Harang herausragte und in das abfallende Tal hinabführte. Die vorherigen Besatzer der Zitadelle hatten diese Stelle mit Mauern und Türmen verstärkt, und gegen sie warfen die Generäle der Theokratie ihre ganze Streitmacht. Zu einem fürchterlichen Preis. Leichen und ihr Blut verdunkelten den Boden um die steilen Bastionen, und noch mehr Leichen stapelten sich an beiden Seiten des Vorsprungs, neben Bergen von zerbrochenen Waffen und zertrümmerten Sturmleitern.
Die lange Treppe endete am Eingang zu einer offenen Galerie, welche in die Steilwand des Harang gehauen worden war, etwa hundert Meter oberhalb der Hauptbastionen. Die Innenwand der Galerie war von verwitterten Reliefs übersät und wurde von mehreren Türen durchbrochen, hinter denen, wie Domas beiläufig
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