02 - Schatten-Götter
Kämpfen auf der Treppe und von einer Armee, die aus Besh-Darok heranrückte. Er musste sogar einen Umweg nehmen, um einem blutigen Scharmützel im vierten Stock auszuweichen.
Alael wurde in einer großen Kammer im fünften Stock gefangen gehalten, deren Tür von sechs Maskierten bewacht wurde. Gilly hatte sich durch einen Nebenraum einen Weg in ihr Gefängnis gebahnt, durch ein hölzernes Gatter unter der Decke der angrenzenden Mauer. Entsetzt hatte er gesehen, dass Alael ausgestreckt am Boden lag. Ihre Gestalt war von einer zähen, goldenen Aura umgeben, und sie hatte die blicklosen Augen weit aufgerissen. Irgendwie war es ihm gelungen, sie mithilfe aufeinandergestapelter Möbel zu der hohen Öffnung in der Wand und durch sie hindurch in den anderen Raum zu hieven. Dort war die Aura ein wenig schwächer geworden, und Alael schien ihr Bewusstsein wiederzuerlangen, sodass sie mit Gillys Unterstützung gehen konnte. Er hatte sie durch einen schmalen Gang in die nächste Kammer gebracht, allem Anschein nach ein Speisezimmer. Dort hatte sich die Aura plötzlich wieder verstärkt. Alael sprach, und es klang, als rede sie mit mehreren Stimmen, die in perfektem Gleichklang redeten. Sie wendete sich jedoch nicht an ihn, sondern ihre Worte klangen eher wie ein merkwürdiger Monolog, ein endloses Grübeln über frühere Fehler und den Wunsch nach Vergeltung. Allein bei ihrem Klang sträubten sich ihm die Nackenhaare.
Dann war die Aura erneut verblasst, die Stimmen verklangen, und Alael nahm Gilly wahr und weinte, als sie ihn erkannte. Gilly war ebenfalls den Tränen nahe. Auf dem Weg durch die Zitadelle war unvermutet eine Woge von Erinnerungen über ihm zusammengeschlagen, die viele Lücken füllte. Er wusste jetzt, wer Alael, Ikarno Mazaret und Suviel waren, doch als sie den Namen Tauric erwähnte, konnte er nichts damit anfangen. Jetzt hockten sie in einem Vorratsraum gegenüber dem Speisezimmer, und er lauschte Alaels Erklärungen. »Es ist die Erden-Mutter«, sagte sie unter Tränen. »Sie will mich vollständig beherrschen und dafür benutzen, den Herrn des Zwielichts zu vernichten.«
»Aber seine Fragmente sind doch auf die fünf Schattenkönige verteilt«, wandte Gilly ein, der sich an Suviels Worte erinnerte.
»Das waren sie, aber das Fragment, das in Byrnak versenkt war, ist in einen anderen Wirt entkommen und hat sich bereits mit zwei weiteren Fragmenten des Gottes vereinigt.« Alael schloss einen Moment die Augen, und als sie die Lider wieder aufschlug, verriet ihr Blick ihre Furcht.
»Wie können wir verhindern, dass der Herr des Zwielichts sich gänzlich vereint? Ich habe die Erden-Mutter mit all meiner Kraft bekämpft, aber könnte sie nicht vielleicht Recht haben? Sollte ich ihrem Drängen vielleicht einfach nachgeben?«
Gilly stand in dem dunklen Vorratsraum vorsichtig auf und half Alael hoch.
»Darauf weiß ich keine Antwort«, gab er zu. »Vielleicht kann uns Suviel weiterhelfen. Ich habe einige Maskierte belauscht. Sie sprachen von einer Armee, die von Besh-Darok auf Keshada marschiert. Suviel wollte mit Hilfe zu uns zurückkehren, und sagte, wir sollten Euch suchen und auf sie beim Eingang zum Reich der Finsternis warten …«
»Das ist…«
»Die Domäne des Herrn des Zwielichts«, beendete er den Satz. »Ich weiß, doch genau das hat sie gesagt. Wir sollen in den siebten Stock gehen, wo es verschiedene Eingänge zu diesem Ort gibt, und uns in der Nähe verbergen …« Er lachte leise. »Leider weiß ich nicht, wohin Mazaret gegangen ist.«
Gilly führte sie aus der Vorratskammer zu einer Treppe, an der er zuvor vorbeigekommen war. Sie wand sich um einen massiven Steinpfeiler, in dem Nischen unterschiedlicher Größen eingelassen waren. In jeder befand sich eine männliche Statue. Der Pfeiler bestand aus einem dunklen, ockerfarbenen Stein, die Statuen dagegen aus einem dunkelgrauen, polierten Material. Jede Statue wiederholte in einem bestimmten Zyklus eine gewisse Handlung, das Schärfen eines Schwertes, das Entzünden eines Feuers, das Anlegen gepanzerter Handschuhe, das Schreiben auf einem Pergament oder das Knüpfen eines Seiles. Es gab sogar eine, die lächelte, während sie eine Münze warf. Sie wiederholten sich immer und immer wieder. Gilly lief es bei dem Anblick kalt über den Rücken, und er trieb Alael hastig zum nächsten Stockwerk weiter.
Die Flure dort waren verlassen, und es gelang ihnen ohne Schwierigkeiten, die Treppe zur nächsten Etage zu finden. Während sie emporstiegen,
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