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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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alles Lebendigen war. Er wurde statt dessen von Toten bevölkert, von Massen an Toten.
    Überall lagen schwarzgekleidete Leichen herum, hunderte von Gefallenen, deren Haltung von schrecklichen Todeskämpfen kündete. Ein Orgie von Gewalt musste sich auf diesem riesigen Hof abgespielt haben, und das Blut ertränkte die Pflastersteine und rann von den Mauern. Eine breite Plattform ragte von einer halbkreisförmigen Galerie weit in den Hof hinaus, an deren Ende Berge von Leichen Zeugnis von einem anscheinend letzten, verzweifelten Gefecht ablegten.
    Das Heer der Mogaun und Ordensritter tastete sich langsam und in entsetztem Schweigen über den Schauplatz dieses Massakers. Einmal fürchtete Suviel, ihr Magen könnte diesen Gestank nach Blut und Tod nicht länger ertragen, doch sie riss sich zusammen und ritt ohne zu Zaudern weiter. Als sie an den toten Soldaten vorüberkam, sah sie, dass einige einen grünen Fetzen um den Oberarm gebunden hatten. Die Mehrheit der Toten trug jedoch kein solches Abzeichen. Offenbar hatte die grüngezeichnete Streitmacht der Maskierten die andere Fraktion in einen Hinterhalt gelockt, massakriert und sich dann in der Zitadelle an die Verfolgung der Überlebenden gemacht.
    Sie ritt weiter und suchte dabei nach unbehelmten Köpfen zwischen den Abgeschlachteten, die vielleicht Ikarno oder Gilly gehörten. Vergeblich.
    Wo habt ihr beide euch während dieses Gemetzels verborgen?, dachte sie.
    Byrnak schien von diesem Massaker merkwürdig unberührt, und seine bärtigen Gesichtszüge verrieten nur mildes Staunen. Suviel erinnerte sich an Yasgurs energischen Vorschlag, den ehemaligen Kriegsherrn an Händen und Füßen zu binden, wenn sie nach Keshada hineinritten, falls er auf die Idee käme, zu flüchten und sich mit seinen Truppen zu vereinigen. Was dachte der Lordregent wohl jetzt?
    Eine weitere ausladende Rampe führte in einem weiten Schwung zu der halbkreisförmigen Galerie hinauf, die zunächst von Leichen geräumt werden musste, bevor die kleine Armee aus Mogaun und Rittern hinauf und durch ein breites, schlichtes Tor reiten konnte. Suviel ritt neben Byrnak in eine hohe Halle, von deren Gewölbe Lampen hinunterhingen, deren Schein Schatten zwischen die Pfeiler warf. Auch hier war der Boden mit Leichen gepflastert. Sie sah Byrnak an. »Was könnte ein solches Gemetzel ausgelöst haben?«, fragte sie ihn. »Ich weiß es nicht«, antwortete er finster. »Ohne die Führung ihrer seelengebundenen Offiziere haben die Männer vielleicht neue Loyalitäten geschlossen …«
    Byrnak führte sie zu einem hohen Torweg zwischen zwei Pfeilern. Er war breit genug, damit zwei Karren oder fünf Reiter nebeneinander passieren konnten. In dem Moment fiel Suviel ein funkelnder Nebel auf, der vor der schwarzblau schimmernden Öffnung wirbelte.
    »Wartet!«, befahl sie Byrnak. »Wohin führt dieses Portal?«
    »Zu den Exerzierplätzen in der zweiten Etage«, erwiderte er. »Von dort führt ein kleineres Portal in den Siebten Stock hinauf.«
    »Vielleicht sollten wir erst einige Kundschafter hindurchsenden«, schlug Bardow vor.
    »Wie es Euch beliebt.« Byrnak zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    Eine Hand voll von Yasgurs Männern wurden zu Fuß hindurchgeschickt, und kehrten kurz danach mit Berichten von einem ähnlichen Massaker zurück. Beunruhigt schaute Suviel Bardow an, nickte dann Yasgur und seinen Häuptlingen zu und bedeutete Byrnak mit einer Handbewegung, weiter zu reiten.
    Als sie das Portal passierten, fühlte es sich an, als ritten sie durch einen zarten Schleier von Spinnweben, der sanft über ihr Gesicht und ihre Hände strich. Auf der anderen Seite war es aufgrund der vielen Lampen, die aus zahlreichen runden Nischen in der hohen Decke herabhingen, heller. Wieder erwartete sie ein Meer von Leichen. Einige Fäuste umklammerten noch im Tod den Griff ihrer Waffe. Und alle erzählten sie dieselbe Geschichte einer mörderischen Auseinandersetzung.
    Suviel musterte alle, an denen sie vorbeiritt, in der stillen Hoffnung, Ikarnos Gesicht nicht darunter zu finden. Sie hatte erwartet, spüren zu können, wenn ihm etwas geschehen sollte, aber die Kraft des Brann-Quell, die Keshada durchströmte, machte sie blind für ihn. Obwohl das Kristallauge ihre Niedere Macht verstärkte, war der Brann-Quell hier doch mächtiger. Sie konnte nur hoffen und beten, dass der Geist des Vater-Baums Recht daran getan hatte, als er darauf bestand, das Kristallauge und den Mutterkeim hierher zu bringen. Wenn alle Artefakte

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