02 - Schatten-Götter
zu öffnen, mit Yasgur und seinen Kriegern hineinreiten, den Offizieren befehlen, ihre Männer in ihre Quartiere abzukommandieren …«
»Und denkt an nichts anderes, Byrnak«, drang Bardows misstrauische Stimme an sein anderes Ohr. »Keine Täuschungen, kein Verrat, dann bleiben Eure Gedanken friedlich.«
»Ihr müsst die Männer am Tor überzeugen«, fuhr Suviel fort. »Ihr müsst diese Rolle spielen.« »Ich weiß«, erwiderte er. »Ich werde es tun.«
Sie ritten weiter, und schon bald, viel zu bald, verdrängten die ungeheuren Wälle Keshadas alles andere aus ihrem Blickfeld. Sie schienen jedoch verlassen zu sein. Ein paar graue Banner und Fahnen flatterten noch in dem kalten Wind, der den Schnee von den Zinnen fegte. Selbst als sie vor den Toren anhielten, regte sich nichts. Die hohen, bewehrten Emporen, auf denen sich eigentlich Bogenschützen drängen sollten, waren verlassen. Als Byrnak und die beiden Magier in den von einer niedrigen Mauer umringten Hof ritten, der vor den Toren lag, rief sie endlich eine einzelne Stimme von einem der beiden Wachtürme neben dem Eingang an. »Wer wagt es, sich der Zitadelle von Keshada zu nähern?«
Byrnak warf der Magierin Hantika einen kurzen Blick zu. Sie nickte, und er trieb sein Pferd weiter, während das Heer hinter ihm langsamer wurde. Er hielt die Zügel seines Pferdes kurz, als er unter den hohen Turm ritt, und sah mit einer gezwungen herablassenden Miene hinauf.
»Hast du keine Augen im Kopf, Narr? Siehst du nicht, wer ich bin?«
»Gebieter … Man sagte, Ihr wäret im Palast der Stadt gefallen …«
»Falsch, Narr, ich bin zurückgekehrt, nachdem ich meinen Sieg mit Hilfe derer errang, die in der Hitze des Gefechtes treu zu mir standen. Öffne die Tore, und ich gestatte dir vielleicht, dich ihnen anzuschließen!« »Großer Gebieter, die fahlen Lords befahlen uns, die Tore verschlossen zu halten …«
»Soll ich ein Exempel an dir statuieren, Narr? Vielleicht verwandele ich dich in Futter für die Fressbiester …« »Ich horche und gehorche, Großer Gebieter!«
Byrnak entspannte sich. Er zitterte am ganzen Körper von der Anstrengung, die es ihn kostete, diese Rolle zu spielen.
War sie denn jemals real?, dachte er. Waren wir fünf Wirte jemals etwas anderes als eine Art Geistschatten, die von einem uralten Zweck belebt wurden?
Gedämpftes Scheppern aus den beiden Türmen unterbrach seine Grübeleien, und während die Kriegshorde der Mogaun und die kleine Kolonne von Rittern, die mit schwarzen Masken und Umhängen maskiert war, näher rückte, rasselten Ketten und kreischten Riegel, und die gewaltigen, ehernen Tore von Keshada schwangen langsam nach innen auf. Als die Phalanx aus Reitern sich dem klaffenden Schlund näherte, bemerkte er, wie Yasgur sein Pferd neben die Magierin lenkte, sich zu ihr beugte und kurz mit ihr sprach. Sie schüttelte den Kopf, und der Kriegshäuptling der Mogaun ließ sich wieder neben die beiden Oberhäuptlinge Welgarak und Gordag zurückfallen. Die drei verfolgten mit gnadenlosen Blicken, wie er seine ursprüngliche Position zwischen den beiden verhüllten Magiern einnahm. Die Haupttore waren mittlerweile ganz geöffnet worden, und die inneren Gatter wurden hochgezogen.
»Und jetzt?«, fragte Byrnak.
»Jetzt reiten wir hinein«, antwortete Suviel Hantika. »Vergesst nicht, Ihr befehlt Euren Offizieren, ihre Männer in ihre Quartiere zu schaffen. Wir müssen das Reich der Finsternis so schnell wie möglich und ohne jede Verzögerung erreichen.«
Er nickte schweigend und starrte in den dämmrigen Torweg vor sich. Als das Fragment des Herrn des Zwielichts sich von seinem Wesen losgerissen und in Nerek gefahren war, hatte es auch jede Verbindung zum Brunn-Quell aufgelöst.
Da die Magier ihm keine Waffe hatten geben wollen, war er zum ersten Mal wirklich vollkommen wehrlos. »Die Zeit ist nicht unser Verbündeter, Byrnak«, murmelte Hantika. »Reitet voran.«
Er knirschte mit den Zähnen und trieb sein Pferd an.
Suviel ließ Byrnak nicht aus den Augen, als sie neben ihm durch das Tor von Keshada ritt. Ihre verstärkten Sinne verrieten ihr, dass die Tortürme nur von einer Hand voll von Soldaten besetzt waren, die sich im Moment außerdem lieber versteckten, als zu riskieren, Byrnaks Zorn auf sich zu ziehen. Vor ihnen mündete der große, dunkle Torweg in eine breite Rampe, die zu einem riesigen, erhöhten Innenhof führte. Auch er war verlassen. Doch als sie von der Rampe auf den Hof ritten, erkannte sie, dass er nur bar
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