02 - Schatten-Götter
falls Ihr damit einverstanden seid.«
»Es ist eine einfache Strategie, und das Überraschungsmoment könnte die Übermacht ausgleichen«, erwiderte Mazaret. »Aber was haltet Ihr von ihren Schamanen?«
Domas zuckte mit den Schultern. »Wie gut ist Eure Magierin?«
Mazaret warf ihm einen scharfen Blick zu. »Jeder von uns würde Terzis sein Leben anvertrauen. Ich werde ihr sagen, gegen wen wir kämpfen. Sie wird wissen, was zu tun ist.«
Sie hatten den Tempel der Macht der Wurzel erreicht und stiegen jetzt die breiten, flachen Stufen hinauf, die einmal im Schatten von Bäumen gelegen hatten, von denen jetzt nur noch zerhackte und verkohlte Stümpfe übrig waren. Mazarets Ritter hatten sich mit ihren Pferden am Fuß des Hanges versammelt, die dort ihr verdientes Futter und Wasser genossen.
»Die Zeit arbeitet gegen uns, Mylord«, sagte Domas. »Wir sollten so rasch wie möglich aufbrechen. Aber vorher, dachte ich, wolltet Ihr vielleicht das Sanktuarium des Tempels besuchen.«
Mittlerweile waren sie oben an der Treppe angekommen. Von dort führte ein breiter Pfad zu den einst massiven Türen des Tempels, die längst vermodert waren. Eine kniehohe Reihe zerborstener Steine war alles, was von der einst so mächtigen Ostmauer übrig geblieben war. Der geflieste Boden des Tempels war der Witterung ausgesetzt und von festgetretenem Schnee und Schlamm bedeckt. Auf den Stümpfen der umgestürzten Pfeiler lag Schnee, ebenso wie auf dem breiten Podest, dem Platz des heiligen Diskurses. Mazaret wusste, dass von dort aus Stufen in das Sanktuarium hinabführten. Dort gab es Wandreliefs, Bodenfliesen, die in symbolischen Mustern ausgelegt waren, und drei Altäre in der Nähe der Westwand, wo ein lebender Baum aus der verborgenen Erde sprießen, an der Wand hoch wachsen und durch das sorgfältig konstruierte Dach hinauswachsen sollte.
Aber er konnte von seinem Standort die verkohlte Spur sehen, welche wie eine Narbe die ganze Wand hinauflief, und er wusste, dass dieses Sanktuarium nichts weiter war als eine leere Hülle. Er drehte sich zu Domas herum. »Warum glaubt Ihr, dass ich hierher kommen wollte?«
Domas war verblüfft. »Aber Eure Ritter sind vom Vater-Baum-Orden …«
»Dieser Vater-Baum hier ist tot und sein Geist erloschen«, erwiderte Mazaret unverblümt. »Die Macht der Wurzel wurde ebenfalls zerstört. Hier gibt es nichts, was man anbeten könnte, Domas, nichts, was zu ehren oder worüber zu meditieren wäre. Die Mysterien sind tot, und es gibt keine Hoffnung auf ein Eingreifen der Götter.« Domas' Überraschung wich Widerwillen. »Dennoch habt Ihr den Namen Eures Ordens nicht geändert, Mylord.« »Die meisten Ritter teilen meine Sicht der Dinge nicht, und das respektiere ich. Sie brauchen ihren Glauben. Ich jedoch habe hier nichts verloren. Und ich habe auch nicht die Absicht, einer bloßen Erinnerung an das, was einst war, Tribut zu zollen.« Mazaret drehte sich herum und ging den Pfad zurück. »Sendet mir Euren Mann, diesen Qael, Domas. Wir brechen bald auf.«
Doch während er die Treppe hinunterstieg, machte er sich bittere Vorwürfe.
Lügner! Heuchler! Was ist dieses Buchblatt denn anderes als eine Anbetung dessen, was vergangen ist?
Suviel war tot, und der Vater-Baum ebenfalls, während eine ganze Horde von Missgeburten weiterlebte. Wie der Untote Azurech.
Der Untote, dachte Mazaret grimmig. Ich werde diesen Namen in einen grausigen Scherz verwandeln. Kurze Zeit später saß Mazaret wieder im Sattel und führte seine Ritter an dem Tempel vorbei. Qael, der Kundschafter, ritt links neben ihm auf einem der zotteligen Ponys. Terzis ritt auf der anderen Seite. Ihre gespannte Miene verriet ihre Angst. Als Mazaret ihr die Stärke des Feindes beschrieben und die beiden Schamanen erwähnt hatte, war sie blass geworden. Als er sie jetzt unauffällig von der Seite beobachtete, nagte der Zweifel an ihm.
Dann wurde er wütend. Warum sollte er sich mit einem gespenstischen »Was wäre, wenn…«belasten? Terzis hatte versprochen, sie würde einen Weg finden, die Schamanen zu bekämpfen, und er vertraute ihr. Die nächsten zwei Stunden ritten sie rasch über die niedrigen, geschwungenen, weißen Ebenen von Zentral-Khatris, angeführt von Qael. Die Luft war eisig, und die meisten Ritter zogen die Ränder ihrer Umhänge vor das Gesicht bis direkt unter ihre Augen. Die Kälte schmerzte dennoch und durchdrang allmählich all ihre Gliedmaßen.
Sie ritten vorsichtig und zielstrebig durch eine Welt, die nur aus weißen
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