02 - Tanz der Sehnsucht
Leben und Tod dahinwelkte.
Es war die letzte einer ganzen Reihe armer Pflanzen.
Am meisten schätzte Maddy die knallig
pinkfarbene Neonschrift, deren Lettern ihren Namen aufleuchten ließen. Terence hatte sie ihr geschenkt, als sie ihren ersten Vertrag als Chorustänzerin am Broadway bekommen hatte. Ihr Name in Neonlicht.
Maddy knipste ihn an, wie sie es immer machte.
Da es in einigen Tagen sowieso wieder
unordentlich sein würde, ließ sie es gleich sein und machte nur zwei Stühle frei und stapelte die Zeitschriften und die ungeöffnete Post zusammen.
Viel wichtiger war es, ihre Tanzsachen auszuwaschen.
Sie stopfte alles in die Badewanne mit warmem Wasser und Seifenpulver, krempelte die Ärmel ihres knielangen Sweatshirts hoch und begann mit der langweiligen Aufgabe von Auswaschen, Spülen und Wringen. Schließlich hängte sie alles über die Wäscheleine, die sie selbst über der Wanne angebracht hatte.
Das Bad war kaum größer als ein Schrank. Als sie sich umdrehte, fing sie ihr eigenes Spiegelbild im Spiegel über dem Waschbecken auf. Spiegel waren ein vertrauter Bestandteil ihres Lebens. Manchmal musste sie sich acht Stunden täglich in ihnen beobachten.
Nun betrachtete sie ihr Gesicht. Es war diese Mischung aus zierlichem Kinn, großen Augen und klarem Teint, die ihr diese schrecklichen Auszeichnungen wie „niedlich" und „gesund"
einbrachte. Nichts Weltbewegendes, dachte sie, aber sie konnte mit sich zufrieden sein.
Aus einer Laune heraus öffnete sie die Spiegeltür und griff sich wahllos einige Schminksachen.
Schminke war fast ein Tick von ihr. Sie kaufte sie, legte sich Vorräte an, sammelte sie direkt. Selbst die Tatsache, dass sie sie außerhalb des Theaters kaum benutzte, ließ sie diese Leidenschaft nicht als merkwürdig empfinden. Falls sie Lust hatte, mit ihrem Gesicht zu spielen, so hatte sie wenigstens die notwendigen Utensilien dazu.
Zehn Minuten lang probierte sie aus, legte Schminke auf, wischte sie wieder weg, legte wieder auf, bis das Ergebnis ein leicht exotisches Farbenspiel auf ihren Lidern und ein warmer Hauch auf ihren Wangenknochen war. Sie stellte die Töpfchen, Tuben und Stifte wieder in den Toilettenschrank und schloss ihn schnell, bevor wieder etwas herausfallen konnte.
Madeline O'Hara musste ihm die falsche Adresse gegeben haben. Seiner Erinnerung konnte Roy vertrauen. Es war ihm schon früh beige bracht worden, wie wichtig es war, sich Namen, Gesichter und Daten zu merken.
Er hatte auf keinen Fall die Adresse vergessen oder verwechselt, doch allmählich glaubte er, dass Maddy etwas durcheinandergebracht hatte.
Je mehr er sich der angegebenen Adresse mit seinem Auto näherte, desto heruntergekommener wurde die Gegend. Wie konnte sie hier leben? Oder besser, warum lebte sie hier? Eine Frau, die jetzt zum dritten Mal eine Rolle am Broadway bekommen hatte, musste sich doch erlauben können, in einem Viertel zu leben, in dem man auch nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße gehen konnte.
Auf einem zerbeulten Briefkasten entdeckte er ihren Namen. Apartment 405. Und es gab keinen Fahrstuhl. Roy machte sich auf den Weg nach oben, begleitet von Kindergeschrei, ohrenbetäubender Jazzmusik und italienischen Flüchen. Als er den dritten Stock erreicht hatte, fluchte er selbst.
Als es klopfte, wusch Maddy gerade den Salat. Es war klar, dass er pünktlich sein würde - so wie sie selbst im entsprechenden Fall unpünktlich.
„Augenblick", rief sie und sah sich vergeblich nach einem Handtuch für ihre nassen Hände um.
Auf dem Weg zur Tür schüttelte sie einfach die Tropfen ab.
„Hallo. Hoffentlich sind Sie nicht hungrig. Ich bin noch nicht fer- tig."
„Nein. Ich ..." Er warf einen Blick zurück. „Das Treppenhaus", begann er und brach wieder ab.
Maddy streckte den Kopf zur Tür heraus und schnüffelte. „Riecht wie Viehfutter. Guido scheint wieder zu kochen. Kommen Sie herein."
Nach allem hätte er eigentlich auf ihre Wohnung vorbereitet sein müssen, aber er war es nicht. Roy ließ den Blick von den leuchtend roten Vorhängen über den knallblauen Läufer und den Stuhl wandern, der aussah, als stamme er aus einem
mittelalterlichen Schloss. Und er war tatsächlich ein Dekorationsstück aus „Camelot". Ihr Name in Neonpink glänzte an der weißen Wand.
„Was für eine Wohnung", murmelte er.
Von oben ertönten drei Schläge. „Der
Ballettschüler im Fünften",
kommentierte Maddy leichthin. „Tours jeté, ein Drehsprung. Wollen Sie Wein?"
Unbehaglich
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