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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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machen? Er hat doch alles erreicht, was er wollte. Bis auf das Kommando, das er für seinen Feldzug gegen Catilina wollte. Dass er überhaupt auf den Gedanken gekommen ist, danach zu fragen, das hat mich wirklich erstaunt! Aber sonst – die Briefe, die ich Sositheus diktiert habe und die er dann Crassus vor die Tür gelegt hat, die waren doch aus seiner Sicht ein Geschenk der Götter. Er konnte sich von der Verschwörung lossagen und mir die Arbeit aufhalsen, den Saustall auszumisten und dafür zu sorgen, dass Pompeius sich nicht einmischte. Ich würde sagen, Crassus hat aus der ganzen Geschichte weit mehr Nutzen gezogen als ich. Die einzigen Leidtragenden waren die Schuldigen.«
    »Und wenn er damit an die Öffentlichkeit geht?«
    »Dann streite ich alles ab. Aber das tut er nicht, er hat keinen Beweis. Das ist das Letzte, was er will, dass einer einen Blick in diese stinkende Schlangengrube wirft.« Er nahm sein Buch wieder in die Hand. »Geh nach unten, und leg unserem teuren toten Freund eine Münze in den Mund. Hoffen wir, dass ihm auf der anderen Seite des ewigen Flusses mehr Aufrichtigkeit widerfährt als auf dieser Seite.«
    Ich tat wie befohlen, und am nächsten Tag wurde Sositheus’ Leichnam auf dem Campus Esquilinus verbrannt. Fast alle Mitglieder des Haushalts erwiesen ihm die letzte Ehre. Bei den Ausgaben für Blumen, Flötenspieler und Weihrauch gab ich sehr großzügig Ciceros Geld aus. Alles in allem wurde der Anlass so würdevoll begangen wie nur möglich: Man hätte glauben können, wir nähmen von einem Freigelassenen oder gar einem Bürger Abschied. Als ich darüber nachdachte, was ich aus den Ereignissen der letzten Tage gelernt
hatte, stellte ich fest, dass ich mir weder ein moralisches Urteil über Ciceros Handeln anmaßte noch mich in meinem Stolz verletzt fühlte, weil er mir nicht sein Vertrauen geschenkt hatte. Aber ich fürchtete, dass Crassus auf Rache aus sein könnte. Als der dichte schwarze Rauch vom Scheiterhaufen aufstieg und sich mit den niedrigen, von Osten her über die Stadt ziehenden Wolken vermengte, hatte ich böse Vorahnungen.

    An den Iden des Januar näherte sich Pompeius der Stadt. Am Tag, bevor er eintreffen sollte, erhielt Cicero die Einladung, dem Imperator seine Aufwartung zu machen, und zwar in der Villa Publica, die zu jener Zeit als Gästehaus der Regierung diente. Die Einladung war in hochachtungsvollen Worten gehalten. Er wusste keinen Grund, warum er sie nicht hätte annehmen sollen. Im Gegenteil, eine Ablehnung wäre einem offenen Affront gleichgekommen. »Und trotzdem« , sagte er am nächsten Morgen, als sein Diener ihm beim Ankleiden half, »irgendwie fühle ich mich weniger wie ein Partner in Staatsgeschäften, den man zu einem Treffen auf Augenhöhe bittet, sondern eher wie ein Untertan, der von einem Eroberer zu sich zitiert wird.«
    Als wir auf dem Marsfeld ankamen, warteten schon Tausende Bürger gespannt darauf, einen Blick auf ihren Helden zu erhaschen, der gerüchteweise nur noch ein oder zwei Meilen entfernt war. Ich sah Cicero an, dass er etwas pikiert war, dass die Menge ihm diesmal den Rücken zukehrte und ihm keinerlei Aufmerksamkeit schenkte. Als wir dann die Villa Publica betraten, musste seine Würde einen weiteren Schlag einstecken. Er war davon ausgegangen, dass Pompeius ihn zu einem Vieraugengespräch gebeten hatte, doch stattdessen musste er feststellen, dass mehrere andere Senatoren,
darunter die neuen Konsuln Marcus Pupius Piso und Valerius Messalla samt ihren Dienern, ebenfalls auf Pompeius warteten. In dem Raum war es so düster und kalt, wie es in wenig genutzten öffentlichen Gebäuden üblicherweise der Fall ist, und doch hatte sich niemand die Mühe gemacht, ein Feuer zu entzünden, um die feuchte Kälte zu vertreiben. Cicero sah sich gezwungen, auf einem harten vergoldeten Stuhl Platz zu nehmen und sich die Wartezeit durch hölzerne Konversation mit dem einsilbigen Pupius zu verkürzen. Der neu gewählte Konsul war einer von Pompeius’ Feldherren, den Cicero schon seit vielen Jahren kannte und nie gemocht hatte.
    Nach etwa einer Stunde wurde die Menge draußen lauter, Pompeius musste jetzt in Sichtweite sein. Bald wuchs der Lärm zu einer derart einschüchternden Lautstärke an, dass die Senatoren ihre Gespräche einstellten und nur noch stumm dasaßen – wie Fremde, die zufällig am gleichen Ort waren, weil sie Schutz vor einem Gewitterschauer suchten. Draußen herrschte ein kreischendes, jubelndes Durcheinander. Ein

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