02 Titan
Trompetensignal erscholl. Schließlich hörten wir aus dem Vorzimmer nebenan das Trampeln von Schritten und eine Stimme, die sagte: »Nun, Imperator, du kannst nicht behaupten, dass das Volk von Rom dich nicht liebt!« Und dann Pompeius’ dröhnende Stimme: »Nein, beeindruckend, in der Tat beeindruckend!«
Cicero und die anderen Senatoren erhoben sich, und im nächsten Augenblick betrat der große General mit ausgreifenden Schritten den Raum, in voller Uniform mit scharlachrotem Umhang und funkelndem Bronzebrustpanzer, auf dem eine strahlende Sonne eingraviert war. Während nach ihm seine Offiziere und Liktoren hereinkamen, gab er einem Adjutanten seinen federgeschmückten Helm. Er fuhr sich mit seinen fleischigen Fingern durch das wie eh und je unglaublich dichte Haar, das sich über seinem breiten, sonnenverbrannten Gesicht zu der vertrauten Tolle aufschwang.
Er hatte sich in den vergangenen sechs Jahren kaum verändert, außer dass seine physische Präsenz – wenn das überhaupt möglich war – noch eindrucksvoller geworden war. Sein Oberkörper war gewaltig. Er schüttelte den Konsuln und den anderen Senatoren die Hand und wechselte mit jedem ein paar Worte, während Cicero linkisch in die Gegend schaute. Schließlich näherte er sich meinem Herrn. »Marcus Tullius!«, rief er aus. Er trat wieder einen Schritt zurück, musterte ihn aufmerksam und deutete mit spöttisch verwunderten Gesten erst auf Ciceros rote Schuhe, dann auf die makellose purpurgesäumte Toga und schließlich auf sein akkurat frisiertes Haar. »Du siehst sehr gut aus. Komm her«, sagte er und lockte mit dem Zeigefinger. »Ich muss den Mann in die Arme schließen, ohne den es das Land nicht gäbe, in das ich zurückgekehrt bin!« Er schlang die Arme um Cicero, drückte ihn ungestüm an seine gepanzerte Brust und zwinkerte uns über die Schulter zu. »Nichts anderes höre ich von ihm, dann muss es ja wohl stimmen!« Alle lachten. Auch Cicero versuchte mitzulachen. Aber Pompeius’ Klammergriff hatte ihm alle Luft aus der Lunge gepresst, so dass er nur ein tristes Keuchen zustande brachte. »Nun, meine Herren«, sagte Pompeius und strahlte in die Runde, »setzen wir uns.«
Ein großer Stuhl wurde für den Imperator hereingetragen. Darauf nahm er Platz, und man reichte ihm einen Zeigestock aus Elfenbein. Vor seinen Füßen wurde ein Teppich ausgerollt, in den die Karte des Ostens eingewebt war, und als die Senatoren ihren Blick darauf richteten, deutete er hierhin und dorthin, um die Leistung seiner Eroberungen zu veranschaulichen. Ich machte mir ein paar Notizen, und als Cicero diese später ausgiebig studierte, stand ihm der Unglaube ins Gesicht geschrieben. Im Lauf seines Feldzugs, behauptete Pompeius, habe er eintausend Befestigungsanlagen, neunhundert Städte und vierzehn ganze Länder, darunter
Syria, Palaestina, Arabia und Mesopotamia, eingenommen. Der Zeigestock fuhr wieder durch die Luft. Er hatte nicht weniger als neununddreißig Städte gegründet, von denen er nur dreien erlaubt hatte, sich selbst Pompeiopolis zu nennen. Er hatte die östlichen Provinzen mit einer Vermögenssteuer belegt, die die jährlichen Einkünfte Roms um zwei Drittel erhöhten. Er kündigte eine Sofortspende für die Staatskasse aus seinem Privatvermögen in Höhe von zweihundert Millionen Sesterzen an. »Ich habe die Größe unseres Reiches verdoppelt, meine Herren. Roms Grenze ist nun das Rote Meer.«
Schon als ich seinen Bericht mitschrieb, fiel mir auf, dass Pompeius ausschließlich in der Einzahl sprach. Es war nur von »mein« dies und »mein« das die Rede. Aber gehörten all diese Länder und Städte und gewaltigen Geldsummen wirklich ihm, oder waren sie nicht vielmehr das Eigentum Roms?
»Ich verlange natürlich ein rückwirkendes Gesetz, das alle meine Maßnahmen legitimiert«, beschloss er seinen Vortrag.
Es entstand eine Pause. Cicero, der gerade erst wieder zu Atem gekommen war, hob eine Augenbraue: »Wirklich? Nur ein einziges Gesetz?«
»Ein Gesetz«, bekräftigte Pompeius und reichte seinem Adjutanten den Elfenbeinstock. »Es bedarf nur eines einzigen Satzes: ›Der Senat und das Volk von Rom billigen hiermit alle von Pompeius Magnus während seiner Besiedlung des Ostens getroffenen Entscheidungen.‹ Wenn ihr wollt, könnt ihr natürlich noch einige Glückwünsche hinzufügen, aber das ist im Kern alles.«
Cicero schaute zu den anderen Senatoren. Alle wichen seinem Blick aus. Sie waren froh, dass er das Reden übernahm. »Hast du
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