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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Causinius Schola, oder wie immer der auch heißt, wir sollten mehr über den wissen. Wen kennen wir in Interamna?«
    Ich dachte kurz nach, und dann, als mir jemand einfiel, wurde mir schwer ums Herz. »Caelius Rufus«, sagte ich.
    »Caelius Rufus«, wiederholte Cicero und schlug mit der Hand auf die Armlehne seines Stuhls. »Natürlich.«
    »Auch so einer, den du nie in unser Haus hättest lassen sollen«, sagte Terentia.
    »Wann haben wir ihn zuletzt gesehen?«
    »Das ist schon Monate her«, sagte ich.
    »Caelius Rufus! Der ist damals, als er mein Schüler war, immer mit Clodius durch die Tavernen und Bordelle gezogen.« Je länger Cicero darüber nachdachte, desto überzeugter war er. »Erst hängt er sich an Catilina, und jetzt macht er gemeinsame Sache mit Clodius. Was für eine Schlange! Dieser
elende Zeuge aus Interamna ist ein Klient seines Vaters, da kannst du Gift drauf nehmen.«
    »Dann glaubt Ihr also, dass Euch Rufus und Clodius gemeinsam in diese Falle gelockt haben?«
    »Zweifelst du etwa daran, dass sie dazu fähig wären?«
    »Nein. Aber ich frage mich: Warum sollten sie sich die Mühe machen, ein falsches Alibi zu konstruieren, nur um sich dieses Alibi von Euch im Zeugenstand wieder zerstören zu lassen? In Clodius’ Interesse muss es doch sein, dass das Alibi eben nicht angezweifelt wird.«
    »Du meinst also, da steckt jemand anders dahinter?«
    Ich zögerte.
    »Wer?«, fragte Terentia.
    »Crassus.«
    »Aber Crassus und ich sind doch vollkommen im Reinen miteinander«, sagte Cicero. »Du hast ja selbst gehört, wie er mich vor Pompeius in den Himmel gelobt hat. Und das Haus hat er mir auch billig verkauft …« Er hielt plötzlich inne.
    Terentia schaute mich durchdringend an und bohrte weiter. »Warum sollte Crassus so weit gehen, um deinen Herrn in Schwierigkeiten zu bringen?«
    »Ich weiß nicht«, log ich. Ich spürte, wie ich im Gesicht rot anlief.
    »Genauso gut könntest du fragen, warum Skorpione stechen« , sagte Cicero ruhig. »Weil das ihre Natur ist.«
    Kurz danach war die Unterhaltung beendet, und Terentia ging ins Haus, um nach Marcus zu sehen. Ich zog mich in die Bibliothek zurück und kümmerte mich um die Korrespondenz des Senators. Cicero blieb allein auf der Terrasse und blickte nachdenklich über das Forum zum Kapitol, während sich die Dunkelheit der Nacht über die Stadt senkte.

    Am nächsten Morgen ging Cicero hinunter aufs Forum – in Begleitung so vieler Leibwächter wie zu Zeiten von Catilinas Verschwörung. Er war blass und schweigsam. Sein Nervenkostüm war angespannt, weil er sehr wohl wusste, mit welcher Art von Empfang er zu rechnen hatte. Die Nachricht, dass die Anklage ihn überraschend als Zeugen aufrufen würde, hatte schon die Runde gemacht. Als Clodius’ Anhänger sahen, wie er sich seinen Weg zum Podium bahnte, setzte ein Sturm aus Buhs und Pfiffen ein. Als er die Stufen zum Tempel hinaufstieg, flogen vereinzelt Eier und Dung, was eine höchst bemerkenswerte Gegendemonstration zur Folge hatte. Fast alle Geschworenen erhoben sich und bildeten einen Schutzring um Cicero. Manche wandten sich sogar der Menge zu, öffneten den Kragen ihrer Toga und deuteten auf ihren entblößten Hals, als wollten sie Clodius’ gewaltbereiten Anhängern sagen: »Bevor ihr ihn tötet, müsst ihr erst uns töten.«
    Für Cicero waren Auftritte im Zeugenstand nichts Neues. Allein im letzten Jahr hatte er mindestens ein Dutzend Mal gegen Catilinas Mitverschwörer ausgesagt. Doch niemals zuvor war er in einer Kampfarena wie dieser aufgetreten. Der Stadtprätor musste die Verhandlung unterbrechen, bis die Ordnung wieder hergestellt war. Clodius saß mit verschränkten Armen und grimmigem Gesichtsausdruck auf seinem Platz und schaute ihn an: Das Verhalten der Geschworenen muss für ihn äußerst beunruhigend gewesen sein. Zum ersten Mal seit Beginn des Verfahrens saß Fulvia neben ihm, seine Frau. Das war ein geschickter Zug der Verteidigung, war sie doch erst sechzehn Jahre alt und sah mehr wie seine Tochter und nicht wie seine Ehefrau aus – genau die Art von verletzlichem jungem Mädchen, die das Herz eines Geschworenen zum Schmelzen bringt. Zudem entstammte Fulvia der beim Volk ungemein beliebten Gracchen-Familie. Ihr Gesicht war hart und hinterhältig, allerdings würde
eine Ehe mit Clodius wohl selbst den liebreizendsten Charakter versteinern lassen.
    Als schließlich der Hauptankläger Lentulus Crus aufgerufen wurde, den Zeugen zu befragen, legte sich eine gespannte Stille

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