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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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dass es eine ganz einfache Erklärung dafür gibt.« Servius tat so, als läse er wieder in dem Dokument, doch nach einer Weile sagte er mit leiser, gereizter Stimme: »Ich habe mich schon gefragt, warum du bis nach dem Essen
gewartet hast, um uns von Caesars Vorschlag zu berichten. Jetzt verstehe ich. Du wolltest vor meiner Frau nicht darüber sprechen, hätte ja sein können, dass sie gleich zu seinem Bett rennt und alles ausplaudert.«
    Es war eine ausgesprochen peinliche Situation. Quintus und Atticus schauten auf den Boden, sogar Rufus hielt ausnahmsweise den Mund.
    »Servius, mein alter Freund«, sagte Cicero und fasste ihn an den Schultern. »Von allen Männern Roms wünsche ich dir am meisten, dass du meine Nachfolge als Konsul antrittst. Mein Vertrauen in dich kennt keine Grenzen. Daran darfst du nie zweifeln.«
    »Und trotzdem hast du die Ehre meiner Frau beschmutzt. Damit beleidigst du auch mich. Wie soll ich da an dein Vertrauen glauben?« Er stieß Ciceros Hände weg und verließ erhobenen Hauptes das Zimmer.
    »Servius!«, rief Atticus, dem jede Art von Missstimmung unerträglich war. Aber der alte Hahnrei war schon draußen, und als Atticus ihm folgen wollte, sagte Cicero leise: »Lass ihn, Atticus. Er muss jetzt mit seiner Frau sprechen, nicht mit uns.«
    Lange sagte keiner ein Wort. Währenddessen lauschte ich gespannt, ob aus dem Tablinum aufgeregte Stimmen zu vernehmen waren, aber ich hörte nur das Geklapper des Geschirrs, das aus dem Speisezimmer abgetragen wurde. Schließlich brach Rufus in lautes Gelächter aus. »Also deshalb ist Caesar seinen Feinden immer einen Schritt voraus! Er hat in all euren Betten eine Spionin!«
    »Halt den Mund, Rufus!«, sagte Quintus.
    »Verfluchter Caesar!«, platzte es plötzlich aus Cicero heraus. »Ehrgeizig zu sein ist nicht unehrenhaft. Ich selbst bin auch ehrgeizig. Aber seine Gier nach Macht ist nicht von dieser Welt. Allein seine Augen – blickt man in sie, ist es, als schaute man in einen dunklen, vom Sturm aufgepeitschten
See!« Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen. »Ich habe keine Wahl, ich sehe keinen Ausweg. Wenn ich seinen Bedingungen zustimme, gewinne ich wenigstens etwas Zeit. Die arbeiten schon seit Monaten an diesem verdammten Gesetz.«
    »Was ist eigentlich so falsch an kostenlosen Bauernhöfen für die Armen?«, fragte Rufus, der wie viele junge Römer Sympathien für die populare Sache hegte. »Ihr seht doch, was diesen Winter auf den Straßen los ist. Die Menschen hungern.«
    »Ganz deiner Meinung«, sagte Cicero. »Aber die Menschen brauchen Nahrung, keine Bauernhöfe. Die Bewirtschaftung von Höfen erfordert Fähigkeiten und knochenharte Arbeit. Die Rumtreiber, die heute vor Caesars Haus herumgelungert haben, möchte ich sehen, wenn sie von morgens bis abends auf Feldern arbeiten müssen! Wenn wir uns für unsere Nahrung auf diese Kerle verlassen müssten, würden wir in einem Jahr alle hungern.«
    »Caesar zeigt zumindest Interesse an ihnen …«
    »Interesse an ihnen? Caesar zeigt an niemandem Interesse außer an sich selbst! Glaubst du wirklich, dass Crassus, der reichste Mann von Rom, Interesse an den Armen hat? Die wollen nur deshalb Siedlungsland verteilen – nebenbei bemerkt, ohne Kosten für sie selbst –, weil sie sich so eine riesige Armee von Anhängern schaffen, die sie auf ewig an der Macht hält. Crassus hat ein Auge auf Ägypten geworfen. Und was Caesar will, das wissen allein die Götter – den ganzen Erdkreis wahrscheinlich. Interesse! Also wirklich, Rufus, manchmal redest du daher wie ein Idiot. Hast du, seit du nach Rom gekommen bist, außer spielen und rumhuren nichts gelernt?«
    Ich glaube nicht, dass Cicero seine Worte so hart gemeint hatte, wie sie sich anhörten, aber es war nicht zu übersehen, dass sie Rufus wie ein Schlag ins Gesicht trafen. Als er sich
abwandte, glänzten unterdrückte Tränen in seinen Augen – nicht nur wegen der Demütigung, sondern auch vor Wut, weil er nämlich schon lange nicht mehr der liebenswerte halbwüchsige Müßiggänger war, den Cicero als Schüler aufgenommen hatte, sondern ein junger Mann, der zunehmend Ehrgeiz entwickelte: eine Veränderung, die Cicero allerdings entgangen war. Obwohl die Diskussion sich noch eine Zeit lang hinzog, beteiligte sich Rufus nicht mehr daran.
    »Tiro, du warst doch auch in Caesars Haus«, sagte Atticus zu mir. »Was schlägst du vor, was soll dein Herr tun?«
    Auf diesen Augenblick hatte ich

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