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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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der Claudier: Alles in allem konnte man kaum über bessere Verbindungen verfügen als Metellus Celer, der keineswegs so dumm war, wie er aussah.
    »Guten Morgen, designierter Konsul!«, bellte er wie beim Morgenappell vor seinen Legionären. »Der große Tag ist also endlich da. Bin gespannt, was er dir bringen wird.«
    »Du bist der Augur, Celer. Sag es mir.«
    Celer warf den Kopf in den Nacken und lachte. Später fand ich heraus, dass er an Weissagungen genauso wenig glaubte wie Cicero und nur aus politischer Opportunität Mitglied des Augurenkollegiums geworden war. »Nun, eins kann ich dir prophezeien. Und zwar, dass es Ärger geben wird. Als ich gerade am Tempel des Saturn vorbeigekommen bin, hatten sich dort schon ein paar Leute versammelt. Sieht so aus, als hätten Caesar und seine Freunde ihr großartiges Gesetz über Nacht ausgehängt. Ein wahrhaft erstaunlicher Schurke!«
    Ich stand direkt hinter Cicero, konnte also sein Gesicht
nicht sehen, aber an der Versteifung seiner Schultern konnte ich ablesen, dass ihn die Neuigkeit sofort in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
    »Also dann«, sagte Celer und duckte sich unter einem niedrigen Deckenbalken hindurch. »Wo geht es aufs Dach?«
    Cicero begleitete den Auguren zur Treppe, und als er an mir vorbeikam, flüsterte er mir in dringlichem Tonfall zu: »Lauf los, ich muss wissen, was da geschehen ist, so schnell wie möglich. Nimm die Jungs mit. Ich will jeden einzelnen Paragrafen.«
    Ich machte Sositheus und Laurea Zeichen, mir zu folgen, und dann gingen wir, angeführt von ein paar Sklaven mit Fackeln, den Berg hinunter. Es war nicht leicht, in der Dunkelheit und auf dem tückischen Schneeboden den Weg zu finden. Doch als wir aufs Forum kamen, sah ich vor mir ein paar Lichter, und auf die hielten wir zu. Celer hatte Recht gehabt. An der traditionellen Stelle vor dem Tempel des Saturn war ein Gesetzentwurf angeschlagen. Trotz der frühen Stunde und der Kälte herrschte große Aufregung, ein paar Dutzend Bürger hatten sich schon versammelt und lasen den Text. Er war sehr lang, mehrere Tausend Wörter auf sechs großen Tafeln. Der Gesetzesvorschlag stammte von Volkstribun Publius Servilius Rullus, aber jedem war klar, dass die wahren Urheber Caesar und Crassus waren. Ich setzte Sositheus auf den ersten Teil an und Laurea auf den Schluss, während ich selbst den Mittelteil abschrieb.
    Wir arbeiteten schnell und kümmerten uns nicht um die Proteste der Leute, dass wir ihnen die Sicht versperrten. Als die Nacht fast vorüber war und der erste Tag des neuen Jahres anbrach, waren wir fertig. Auch ohne eingehende Überprüfung der Einzelheiten wusste ich, dass das neue Gesetz Cicero großen Ärger bereiten würde. Staatliches Land in Campania sollte zwangsweise beschlagnahmt, in fünftausend Parzellen für Bauernhöfe aufgeteilt und kostenlos abgegeben
werden. Eine gewählte Kommission, die mit zehn Männern besetzt war, würde darüber entscheiden, wer was bekommen sollte, und hätte zudem umfassende Befugnisse, in den ausländischen Provinzen Steuern zu erheben und in Italien nach Gutdünken, ohne Rücksprache mit dem Senat, weiteres Land zu kaufen und zu verkaufen. Die Patrizier würden außer sich sein, und der Zeitpunkt der Veröffentlichung  – nur wenige Stunden vor Ciceros Rede zur Amtseinführung – zielte offensichtlich darauf ab, so viel Druck wie nur irgend möglich auf den neuen Konsul auszuüben.
    Als wir zum Haus zurückkehrten, war Cicero noch immer auf dem Dach, zum ersten Mal saß er auf seinem kurulischen Stuhl aus Elfenbein. Es war bitterkalt dort oben, Fliesen und Brüstung waren mit Schnee bedeckt. Cicero war in eine Wolldecke gehüllt, die er sich fast bis zum Kinn hochgezogen hatte, und er trug eine merkwürdige Mütze aus Kaninchenfell mit Klappen, die seine Ohren bedeckten. Daneben stand Celer, umringt von den pularii . Mit seinem Stab unterteilte er den Himmel in Zonen und hielt gelangweilt Ausschau nach Vögeln und Blitzen. Aber die Luft war klar, und es regte sich kein Lüftchen, offenkundig hatte er keinen Erfolg. In dem Augenblick, als Cicero mich sah, griff er mit seinen in Handschuhen steckenden Fingern auch schon nach den Tafeln und klappte schnell eine nach der anderen um. Klack, klack, klack machten die mit Scharnieren zusammengehaltenen Holzrahmen, während er den Inhalt jeder einzelnen Seite aufsaugte.
    Als er die klackenden Geräusche hörte, drehte Celer sich zu Cicero um. »Ist das das Gesetz der Popularen?«
    »Ja«, sagte

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