02 Titan
sagt, es werde ihm nichts anderes übrigbleiben, als sich woanders Freunde zu suchen, und damit kann er nur die Volkstribunen meinen oder, noch schlimmer, Caesar. Wenn er diesen Weg einschlägt, dann bedeutet das: Volksversammlungen, Vetos, Tumulte, Lähmung, Volk und Senat, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen, kurz: eine Katastrophe.«
»Eine üble Vorstellung, da stimme ich dir zu«, sagte Celer. »Trotzdem, ich kann dir leider nicht helfen.«
»Das Wohl unseres Landes steht auf dem Spiel.«
»Die Art und Weise, wie Pompeius sich in aller Öffentlichkeit von meiner Schwester hat scheiden lassen, war eine Demütigung für sie. Und eine Beleidigung für mich, meinen Bruder und die ganze Familie. Ich weiß jetzt, was für ein Mann er ist: Er ist in höchstem Maß unzuverlässig, ausschließlich an sich selbst interessiert. Nimm dich vor ihm in Acht, Cicero.«
»Du hast allen Grund, gekränkt zu sein. Niemand wird
das bezweifeln. Denk an den Großmut, den du demonstrieren könntest, wenn du dich in deiner Rede zur Amtseinführung dafür aussprichst, Pompeius zum Wohl unseres Landes entgegenzukommen.«
»Das wäre keine Demonstration von Großmut, sondern von Schwäche. Die Metelli sind vielleicht nicht die älteste Familie in Rom oder die vornehmste, aber wir sind die erfolgreichste geworden, und zwar deshalb, weil wir vor unseren Feinden niemals auch nur einen Schritt zurückgewichen sind. Du kennst doch sicher unser Wappentier?«
»Den Elefanten?«
»Ganz recht, den Elefanten. Wir haben ihn im Wappen, weil unsere Vorfahren die Karthager bezwungen haben, aber auch deshalb, weil der Elefant das Tier ist, das unserer Familie am meisten ähnelt. Er ist mächtig, er bewegt sich bedachtsam, er vergisst nie, und er setzt sich immer durch.«
»Ja, und ziemlich dumm ist er auch. Deshalb kann man ihn so leicht einfangen.«
»Schon möglich«, sagte Celer, in dessen Stimme ein Hauch Verärgerung durchklang. »Wohingegen du für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Wert auf Durchtriebenheit legst.« Dann stand er auf, und damit war die Unterhaltung beendet.
Er führte uns ins Atrium mit seiner Unmenge an ausgestellten Totenmasken, und während wir durch den Raum gingen, deutete er auf seine Vorfahren, als bekräftigte die Fülle an ausdruckslosen, toten Gesichtern seinen Standpunkt beredter als alle Worte. Wir hatten gerade die Eingangshalle erreicht, als Clodia mit ihren Mädchen auftauchte. Ich habe keine Ahnung, ob das Zufall oder Absicht war, aber ich vermute Letzteres, angesichts der frühen Stunde war sie nämlich sehr sorgfältig frisiert und gekleidet: »In voller Gefechtsmontur für die Nacht«, wie Cicero später sagte. Er verbeugte sich vor ihr.
»Cicero«, sagte sie, »du hast dich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht.«
»Das ist leider wahr. Aber nicht aus freien Stücken.«
»Wie man hört, seid ihr während meiner Abwesenheit gute Freunde geworden«, sagte Celer. »Freut mich, dass ihr euch mal wieder begegnet.« Als ich ihn so sorglos reden hörte, wusste ich sofort, dass er keine Ahnung vom Ruf seiner Frau hatte. Er betrachtete die zivile Welt mit jener seltsamen Arglosigkeit, die mir bei vielen Berufssoldaten aufgefallen ist.
»Ich hoffe, dir geht es gut, Clodia«, sagte Cicero höflich.
»Prächtig«, entgegnete sie und schaute ihn unter ihren langen Wimpern hinweg an. »Meinem Bruder in Sizilien übrigens auch – trotz deiner Bemühungen.«
Sie schenkte ihm ein Lächeln, das so warm wie die Klinge eines Messers war, und rauschte davon, im Schlepptau ein zarter Hauch von Parfüm. Celer zuckte mit den Achseln und sagte: »Na ja, so ist sie halt. Ich wünschte, sie würde mit dir so viel Umgang pflegen wie mit diesem verdammten Dichter, der dauernd um sie herumscharwenzelt. Aber sie steht wirklich fest zu Clodius.«
»Und? Hat er immer noch vor, Plebejer zu werden? Schätze, einen Plebejer in der Familie zu haben hätte deinen illustren Vorfahren gar nicht gefallen.«
»Dazu wird es nie kommen.« Celer schaute sich kurz um, ob Clodia auch sicher außer Hörweite war. »Unter uns, meiner Meinung nach ist der Kerl eine ausgemachte Schande.«
Wenigstens dieser kurze Wortwechsel munterte Cicero ein bisschen auf, sonst aber hatte seine politische Überzeugungsarbeit bislang nichts eingebracht, so dass er am nächsten Tag einen letzten Versuch unternahm und Cato besuchte. Der Stoiker lebte in einem eleganten, aber kunstvoll vernachlässigten Haus auf dem Aventin, wo es nach verdorbenem
Weitere Kostenlose Bücher