02 Titan
Grund war er verspätet eingetroffen, andernfalls, da bin ich mir sicher, hätte er schon vor der Sitzung davon erfahren. Aber so hörte er es im gleichen Augenblick wie alle anderen. Nachdem die Auspizien gedeutet worden waren, erhob sich Celer und erklärte, dass gerade eine Botschaft von Caesar aus Hispania Ulterior eingetroffen sei, die er nun verlesen wolle.
»An den Senat und das römische Volk, von Gaius Julius Caesar, Imperator …«
Beim Wort »Imperator« erhob sich sofort aufgeregtes Gemurmel. Cicero setzte sich ruckartig auf, er und Pompeius schauten sich an.
»Von Gaius Julius Caesar«, wiederholte Celer und dann mit besonderem Nachdruck: »Imperator. Ich grüße euch. Dem Heer geht es gut. Ich habe mit einer Legion und drei Kohorten das Herminius genannte Gebirge überquert und
die Landstriche zu beiden Seiten des Flusses Durius befriedet. Ich habe von Gades eine Flotille siebenhundert Meilen weit nach Norden entsandt und Brigantium eingenommen. Ich habe die in Callaecia und Lusitania ansässigen Stämme unterworfen und wurde von meiner Armee auf dem Schlachtfeld zum Imperator ausgerufen. Ich habe zwanzig Verträge geschlossen, die der römischen Staatskasse jährliche Einkünfte von zwanzig Millionen Sesterzen bescheren werden. Die Herrschaft Roms reicht nun bis zu den entferntesten Küsten des Atlantiks. Lang lebe unsere Republik.«
Caesars Sprache war schon immer knapp gewesen, und so dauerte es einen Augenblick, bis die Senatoren die ganze Tragweite dessen begriffen, was sie gerade gehört hatten. Caesar war lediglich als Statthalter nach Hispania Ulterior entsandt worden, in eine allgemein für mehr oder weniger befriedet erachtete Provinz, hatte es aber irgendwie zustande gebracht, das benachbarte Land zu erobern! Sein alter Verbündeter Crassus sprang sofort auf und stellte den Antrag, Caesars Leistungen mit dreitägigen nationalen Dankesfeiern zu belohnen. Ausnahmsweise war sogar Cato zu verwirrt, um Einspruch zu erheben, und so wurde der Antrag einstimmig angenommen. Nach der Sitzung drängte es die Senatoren hinaus in die strahlende Sonne. Die meisten unterhielten sich aufgeregt über diese geniale Leistung. Nicht so Cicero: Inmitten der lebhaft plappernden Menge machte er mit seinen langsamen Schritten und dem zu Boden gesenkten Blick den Eindruck eines Mannes, der zu einem Begräbnis ging. »Nach all den Skandalen und seinen finanziellen Schwierigkeiten hatte ich gedacht, dass er erledigt ist«, flüsterte er mir zu, als er die Tür erreichte. »Zumindest für ein oder zwei Jahre.«
Er machte mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Wir gingen in eine schattige Ecke des Senaculums, wo sich sofort Hortensius,
Lucullus und Cato zu uns gesellten. Alle drei sahen gleich verdattert aus.
»Tja, und was haben wir als Nächstes von Caesar zu erwarten?« , fragte Hortensius mit düsterer Stimme. »Dass er nach dem Konsulat greift?«
»Davon können wir wohl ausgehen«, sagte Cicero. »Den Wahlkampf kann er sich jetzt locker leisten. Wenn er zwanzig Millionen in die Staatskasse pumpt, dann kannst du davon ausgehen, dass er für sich selbst einiges mehr abgezweigt hat.«
In diesem Augenblick ging Pompeius an ihnen vorbei, anscheinend in Gedanken versunken. Sie verstummten, bis er außer Hörweite war.
Cicero sagte leise: »Da geht er hin, unser ›Pharao‹. Sein schwerfälliges Hirn ächzt jetzt bestimmt wie ein Mühlrad. Ich wüsste jedenfalls, was ich an seiner Stelle tun würde.«
»Und? Was würdest du tun?«, fragte Cato.
»Mit Caesar einen Handel eingehen.«
Die anderen schüttelten den Kopf. »Dazu wird es nie kommen«, sagte Hortensius. »Pompeius kann es nicht ertragen, den Ruhm mit einem anderen teilen zu müssen.«
»Trotzdem wird er sich diesmal damit abfinden müssen«, widersprach Cicero. »Ihr lasst ihn mit seinen Gesetzen abblitzen, aber Caesar, der wird ihm die Welt versprechen – egal, was, nur damit er Pompeius’ Unterstützung bei den Wahlen bekommt.«
»Aber noch nicht in diesem Sommer«, sagte Lucullus selbstsicher. »Zu viele Gebirge und Flüsse befinden sich zwischen hier und dem Atlantik. Caesar kann es nicht mehr rechtzeitig bis Rom schaffen, um seinen Namen noch auf die Wahlliste zu setzen.«
»Und noch was anderes«, ergänzte Cicero. »Caesar will mit Sicherheit einen Triumph. Bis er den bekommt, muss er sich außerhalb der Stadtmauern aufhalten.«
»Und den können wir um Jahre hinauszögern«, sagte Lucullus. »So, wie er auch mich fünf Jahre lang hat warten
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