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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Täler, Türme und Tempel, Säulengänge und Häuser, über die Stadt, die unter der weiß glitzernden Schneedecke wie eine Braut in Erwartung ihres Bräutigams aussah.
    Wir betraten die Area Capitolina, den Platz vor dem Tempel des Jupiter, wo die Senatoren auf uns warteten. Zusammen mit Ciceros Familie und allen anderen Mitgliedern seines Haushalts wurde ich zu einer speziell errichteten Zuschauertribüne aus Holz geleitet. Eine Trompetenfanfare hallte von den Mauern wider, die Senatoren wandten sich wie ein Mann um und musterten den designierten Konsul, während er ihre Reihen durchschritt – mit begehrlichen Augen in verschlagenen, von der Kälte geröteten Gesichtern: all jene Männer, die es nie bis zum Konsulat geschafft hatten und auch wussten, dass sie es nie mehr schaffen würden, all jene, die danach trachteten und fürchteten, sie könnten
scheitern, und all jene, die es schon einmal innegehabt hatten und immer noch glaubten, dass es eigentlich ihnen zustünde. Antonius Hybrida hatte schon am Fuß der Tempelstufen Aufstellung genommen. Die Bronze des großen Dachs, das den Schauplatz überragte, sah in der strahlenden Wintersonne wie geschmolzen aus. Ohne sich zu begrüßen, schritten die beiden designierten Konsuln zum Altar hinauf, wo der Pontifex Maximus, Quintus Caecilius Metellus Pius, auf einer Sänfte lag, da er schon zu krank war, um noch stehen zu können. Umringt war Pius von den sechs vestalischen Jungfrauen und den vierzehn anderen Pontifices der Staatsreligion. Ich konnte deutlich Catulus erkennen, der den Tempel im Auftrag des Senats wieder aufgebaut hatte und dessen Name über dem Eingang stand (von ein paar Witzbolden wurde er deshalb »größer als Jupiter« genannt). Neben ihm stand Isauricus. Ich sah auch Scipio Nasica, Pius’ Adoptivsohn, Junius Silanus, den Mann Servilias, der klügsten Frau Roms, und etwas abseits vom Rest, in seinem unpassenden Priestergewand, entdeckte ich schließlich die hagere und breitschultrige Gestalt von Julius Caesar. Leider war ich zu weit weg, um seinen Gesichtsausdruck erkennen zu können.
    Es folgte eine lange Pause. Dann erklang wieder die Trompete. Ein riesiger cremefarbener Bulle mit roten Schleifen an den Hörnern wurde zum Altar geführt. Cicero hob die Falten seiner Toga hoch, verhüllte seinen Kopf und deklamierte dann aus dem Gedächtnis mit lauter Stimme das Staatsgebet. In dem Augenblick, als er das letzte Wort gesprochen hatte, streckte der hinter dem Bullen stehende Diener das Opfertier mit einem Hammerschlag nieder, der so laut war, dass sein Echo durch den Säulengang hallte. Das Tier krachte auf die Seite, und als die Diener den Magen aufschlitzten, tauchte zu meiner Beunruhigung das Bild des toten Jungen vor meinen Augen auf. Die Eingeweide lagen
zur Begutachtung auf dem Altar, noch bevor die elende Kreatur verendet war. Aus der Menschenmenge war ein Stöhnen zu hören, weil sie die zuckenden Beine des Bullen als böses Omen deutete, doch als die Haruspices Cicero die Leber vorlegten, erklärten sie sie für ein außergewöhnlich gutes Zeichen. Pius – der sowieso fast blind war – bekundete mit einem schwachen Nicken seine Zustimmung, dann wurden die Innereien ins Feuer geworfen, und die Zeremonie war beendet. Die Trompete schmetterte ein letztes Mal in die kalte klare Luft, auf dem abgesperrten Platz erhob sich stürmischer Applaus, und Cicero war Konsul.

    Im neuen Jahr fand die erste Sitzung des Senats immer im Tempel des Jupiter statt, wofür der Konsulsstuhl direkt unter die große Bronzestatue des Vaters der Götter auf ein Podium gestellt wurde. Außer seinen Mitgliedern war keinem Bürger, und sei er noch so bedeutend, der Zutritt zum Senat gestattet. Weil jedoch Cicero mich damit beauftragt hatte, die Sitzungen mitzustenografieren und ein Protokoll anzufertigen  – was zum ersten Mal überhaupt geschah –, war mir gestattet worden, während der Debatten neben ihm zu stehen. Man kann sich leicht vorstellen, wie ich mich fühlte, als ich hinter Cicero durch den breiten Gang zwischen den Holzbänken ging. Nach uns strömten die weiß gekleideten Senatoren in den Tempel, das aufgeregte Spekulieren hörte sich an wie eine an Land donnernde Welle. Wer hatte das Gesetz der Popularen gelesen? Hatte jemand mit Caesar gesprochen? Was würde Cicero sagen?
    Als der neue Konsul das Podium erreicht hatte, drehte ich mich um und betrachtete die mir wohlbekannten Gestalten, die zu ihren Plätzen gingen. Rechts vom Konsulsstuhl

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