02 Titan
mit hoher Rückenlehne, das mit elfenbeinfarbener Seide bezogen war, während ich mich etwas abseits neben eine der Türen stellte, die auf eine Terrasse führte, auf der zahlreiche Büsten von großen Männern der Geschichte standen. Jenseits der Terrasse schob ein Gärtner eine Schubkarre voller Laub vorbei. Ich konnte das offene Feuer riechen, das sich irgendwo außerhalb meines Blickfeldes befand. Es war ein Bild von solch gefestigter Ordnung und Zivilisation, eine Oase in der Wildnis unseres von Schrecken erfüllten Lebens, dass ich es nie vergessen habe. Dann hörte ich trippelnde Schritte, und Pompeius’ Frau erschien, in Begleitung ihrer Mädchen, die alle älter waren als sie. Mit ihren dunklen Ringellöckchen und in ihrem einfachen grünen Kleid sah sie wie eine Puppe aus. Sie hatte sich einen Schal um den Hals geschlungen. Cicero erhob sich und küsste ihre Hand.
»Es tut mir sehr leid«, sagte Julia, »aber mein Mann wurde fortgerufen.« Sie errötete und warf einen schnellen Blick zur Tür. Offenkundig war sie es nicht gewohnt zu lügen.
Ciceros Mundwinkel senkten sich ein wenig, aber er fing sich sofort wieder. »Das macht nichts«, sagte er. »Ich warte.«
Julia schaute wieder nervös zur Tür. Plötzlich war mir instinktiv klar, dass Pompeius direkt hinter der halb offenen Tür stand und ihr Zeichen machte, was sie antworten solle. »Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
»Ich bin mir sicher, er wird bald zurückkommen«, sagte Cicero laut, auf dass etwaige Lauscher ihn keinesfalls überhören konnten. »Ein Pompeius Magnus kann es sich nicht leisten, seine Zusagen nicht einzuhalten.« Er setzte sich, und nach kurzem Zögern setzte auch sie sich, faltete schicklich ihre kleinen weißen Hände und legte sie in den Schoß.
»Hattest du eine angenehme Fahrt?«, fragte sie schließlich.
»Sehr angenehm, danke.«
Wieder entstand eine lange Pause. Cicero schob seine Hand in die Tasche der Tunika, in der das kleine Messer steckte. Ich sah, wie er es zwischen den Fingern drehte.
»Hast du meinen Vater in letzter Zeit getroffen?«, fragte Julia.
»Nein, ich war etwas kränklich.«
»Oh? Tut mir leid, das zu hören. Ich habe ihn auch schon ziemlich lange nicht mehr gesehen. Er reist dieser Tage nach Gallien ab. Wann ich ihn dann wiedersehe, das steht in den Sternen. Ich kann von Glück sagen, dass ich nicht allein auf mich gestellt bin. Es war grässlich, als er in Spanien war.«
»Und? Gefällt dir das Eheleben?«
»Oh, es ist herrlich!«, rief sie ehrlich erfreut aus. »Wir bleiben die ganze Zeit zu Hause. Wir gehen nie aus. Wir haben unsere eigene Welt hier.«
»Das muss angenehm sein. Wie herrlich. Ein sorgenfreies Leben. Ich beneide dich.« Ganz kurz, kaum hörbar, versagte Cicero die Stimme. Er zog die Hand aus der Tasche, hob sie an die Stirn und schaute nach unten auf den Teppich. Er
fing am ganzen Leib leicht zu zittern an, und zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass er weinte. Julia stand ruckartig auf. »Es ist nichts«, sagte er. »Wirklich. Nur diese verfluchte Krankheit …«
Julia zögerte, dann streckte sie die Hand aus und berührte seine Schulter. »Ich sage ihm noch einmal, dass du da bist«, sagte sie leise.
Sie verließ zusammen mit ihren Mädchen das Zimmer. Als sie gegangen war, stieß Cicero einen Seufzer aus, wischte sich am Ärmel die Nase ab und schaute geradeaus. Der würzige Rauch des Feuers wehte über die Terrasse. Die Zeit verstrich. Es begann zu dämmern, und in Ciceros durch die lange Zeit des Fastens ausgezehrtem Gesicht bildeten sich Schatten. Schließlich flüsterte ich ihm ins Ohr, dass wir bald fahren müssten, sonst würden wir Rom vor Einbruch der Nacht nicht mehr erreichen. Er nickte, und ich half ihm auf.
Als wir die Auffahrt hinunterfuhren, schaute ich mich noch einmal um. Bis zum heutigen Tag bin ich der festen Überzeugung, dass von einem der oberen Fenster das blasse Vollmondgesicht von Pompeius auf uns herabschaute.
Als die Nachricht von Pompeius’ Verrat die Runde machte, hielt man Cicero für erledigt. In Erwartung einer schnellen Abreise aus Rom begann ich heimlich zu packen. Nicht, dass alle ihn schnitten. Hunderte legten Trauerkleidung an, um ihre Solidarität zu bekunden, und der Senat stimmte mit knapper Mehrheit dafür, dass sich seine Mitglieder zum Zeichen des Mitgefühls schwarz kleiden sollten. Auf dem Kapitol organisierte Aelius Lamia eine große Demonstration des Ritterstandes, zu der Ritter aus ganz Italien anreisten,
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