02 Titan
»Clodius kopiert Caesars Strategie in Perfektion. Das heißt, er benutzt den Pöbel, um die Volksversammlung zu kontrollieren.«
»Was ist mit dem Senat?«
»Wir können eine Resolution zu Ciceros Unterstützung verabschieden. Und das werden wir auch, ich selbst werde sie vorschlagen, aber Clodius wird sich nicht darum scheren. Wenn allerdings Pompeius oder Caesar sich gegen das Gesetz aussprechen … das wäre natürlich ein großer Unterschied. Caesar hat eine Armee, die keine Meile vom Forum entfernt steht. Und Pompeius’ Einfluss ist gewaltig.«
»Wenn das Gesetz verabschiedet wird, was bedeutet das für mich?«, fragte Terentia.
»Sein gesamter Besitz wird beschlagnahmt – das Haus, das gesamte Inventar, alles. Wenn du versuchen solltest, ihm in irgendeiner Weise zu helfen, wirst du verhaftet. Ich fürchte, er hat nur eine einzige Möglichkeit: Sobald es ihm wieder besser geht, muss er Rom sofort verlassen. Er muss die italienische Grenze überschritten haben, bevor das Gesetz in Kraft tritt.«
»Dürfte er in meinem Haus in Epirus bleiben?«, fragte Atticus.
»Dafür könntest du in Rom angeklagt werden. Wer ihm Unterschlupf gewährt, braucht Mut. Cicero muss unter falschem Name reisen und darf sich nie lange an einem Ort aufhalten, damit seine Identität nicht enthüllt wird.«
»Dann kommt von meinen Häusern leider keins infrage«, sagte Lucullus. »Der Pöbel würde sich die Finger danach lecken, mich anzuklagen.« Er verdrehte die Augen wie ein
panisches Rennpferd. Von der Demütigung im Senat hatte er sich nie erholt.
»Darf ich etwas sagen?«, fragte ich.
»Natürlich, Tiro«, sagte Atticus.
»Es gibt noch eine Möglichkeit.« Ich schaute zur Decke. Ich war mir nicht sicher, ob Cicero einverstanden wäre, dass ich den anderen davon erzählte. »Caesar hat ihm im Sommer angeboten, ihn zu seinem Legaten in Gallien zu ernennen. Das würde ihm Immunität garantieren.«
Cato schaute mich entsetzt an. »Aber damit stünde Cicero in seiner Schuld, Caesar wäre noch mächtiger als ohnehin schon. Im Interesse des Staates hoffe ich sehr, dass Cicero dieses Angebot ablehnt.«
»Im Interesse unserer Freundschaft hoffe ich, dass er es annimmt«, sagte Atticus. »Was meinst du, Terentia?«
»Das entscheidet mein Mann«, sagte sie nur.
Nachdem uns die anderen verlassen hatten, nicht ohne das Versprechen, am nächsten Tag wiederzukommen, ging Terentia nach oben zu Cicero und rief mich, als sie wieder unten war, zu sich. »Er will nichts essen«, sagte sie. Ihre Augen wurden feucht, aber als sie weitersprach, reckte sie mir ihr schmales Kinn entgegen. »Er darf sich vielleicht seiner Verzweiflung hingeben, wenn er denn nicht anders kann, ich aber habe die Interessen dieser Familie zu wahren, und wir haben nicht viel Zeit. Du sorgst dafür, dass alles, was sich in diesem Haus befindet, zusammengepackt und weggeschafft wird. Einen Teil können wir in unserem alten Haus verstauen, Quintus ist sowieso nicht da, Platz ist also genug. Lucullus hat sich bereiterklärt, den Rest bei sich unterzubringen. Da unser Haus jetzt unter Bewachung steht, muss alles, damit wir kein Aufsehen erregen, Stück für Stück weggebracht werden, die wertvollsten Sachen zuerst.«
Und das taten wir dann. Wir fingen noch am selben Abend damit an und gönnten uns in den folgenden Tagen
und Nächten keine Ruhepause. Es war eine Erleichterung, etwas zu tun zu haben, da Cicero weiterhin in seinem Zimmer blieb und mit niemandem sprechen wollte. Wir füllten Juwelen und Münzen in Wein- und Olivenöl-Amphoren und transportierten sie auf Wagen quer durch die Stadt. Wir versteckten Gold- und Silbergeschirr unter unserer Kleidung, gingen in so normaler Haltung wie möglich zu unserem alten Haus auf dem Esquilin und luden dort unsere klappernde Fracht ab. Antike Büsten wurden in Tücher eingewickelt und von Sklavenmädchen weggeschafft, die sie wie Säuglinge in ihren Armen trugen. Einige der größeren Möbelstücke wurden zerlegt und wie Feuerholz auf Handkarren weggefahren. Teppiche und Wandbehänge wurden in Schmutzwäsche eingeschlagen und dann in Richtung Wäscherei geschleppt, bevor wir heimlich den Weg zu ihrem Versteck in Lucullus’ Villa einschlugen, die nördlich der Stadt jenseits der Porta Fontinalis lag.
Um Ciceros Bibliothek kümmerte ich mich allein. Seine privaten Papiere packte ich in Säcke, trug sie eigenhändig zu unserem alten Haus und versteckte sie dort im Keller. Bei diesen Gängen machte ich immer einen Bogen
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