02 Titan
Festplatz in ein gespenstisches fahles Licht. Das hatte zumindest den Vorteil, dass der Weg, als wir den Berg wieder hinuntergingen, gut sichtbar war. Doch dann geschahen zwei Dinge, über die man noch Wochen danach reden sollte. Als Erstes verschwand plötzlich und unerklärlicherweise, als wäre er in einen schwarzen Tümpel gestürzt, der Mond vom Himmel. Die Prozession, die sich auf sein Licht verlassen hatte, kam abrupt zum Stillstand, und neue Fackeln wurden entzündet. Die Unterbrechung dauerte zwar nicht lange, aber es ist seltsam, wie die Vorstellungskraft auf einen Menschen einwirkt, wenn er hilflos auf einem Bergpfad festsitzt, vor allem wenn die Bäume um ihn herum voller symbolischer Puppen hängen. Viele wurden von Panik ergriffen und begannen zu schreien, erst recht als klarwurde, dass all die anderen Sterne und Sternbilder immer noch hell leuchteten. Da wir alle zum Himmel hinaufschauten, sahen wir, wie eine Sternschnuppe, deren Spitze wie ein lodernder Speer aussah, quer über den Nachthimmel in Richtung Westen schoss, genau auf Rom zu, wo sie dann verblasste und verlosch. Laute erstaunte Rufe waren in der Dunkelheit zu hören, und dann leises Geraune darüber, was das alles zu bedeuten habe.
Cicero sagte nichts, er wartete geduldig, bis die Prozession sich wieder in Bewegung setzte. Später in der Nacht, als wir sicher in Tusculum eingetroffen waren, fragte ich ihn, was er von all dem halte. »Nichts«, sagte er, während er am Feuer seine durchgefrorenen Glieder wärmte. »Warum auch? Eine Wolke hat sich vor den Mond geschoben, und ein Stern ist über den Himmel gezogen. Was gibt es sonst noch dazu zu sagen?«
Am nächsten Morgen traf eine Botschaft von Quintus ein, der zur Wahrung Ciceros Interessen in Rom geblieben war. Cicero las den Brief und gab ihn dann mir. Quintus
schrieb, dass man auf dem Marsfeld ein großes Holzkreuz errichtet habe, das hoch über die schneebedeckte Ebene aufrage, und dass das gemeine Volk in Strömen vor die Stadt pilgere, um es sich anzuschauen. Labienus zieht durch die Stadt und erklärt offen, dass das Kreuz für Rabirius bestimmt sei und der alte Mann noch vor Ende des Monats daran hängen werde. Du solltest so bald wie möglich zurückfahren.
»Eins muss man Caesar lassen«, sagte Cicero. »Er verschwendet keine Zeit. Sein Gericht hat noch keinen einzigen Zeugen gehört, aber er sorgt dafür, dass der Druck auf mich nicht nachlässt.« Er schaute ins Feuer. »Ist der Bote noch da?«
»Ja.«
»Lass Quintus ausrichten, dass wir bis zum Abend zurück sein werden, und gib ihm auch eine Nachricht für Hortensius mit. Schreib, dass ich seinen Besuch gestern Nachmittag zu schätzen gewusst habe, dass ich noch einmal über die Angelegenheit nachgedacht habe und es mir ein Vergnügen sei, mit ihm gemeinsam die Verteidigung von Gaius Rabirius zu übernehmen.« Er nickte sich selbst zu. »Wenn Caesar einen Kampf will, dann soll er ihn haben.« Als ich schon an der Tür war, rief er mich noch einmal zurück. »Noch was, schick einen Sklaven los, er soll Hybrida ausfindig machen und ihn fragen, ob er in meiner Kutsche mit nach Rom zurückfahren will, damit wir unser Abkommen besiegeln können. Ich muss etwas Schriftliches in der Hand haben, bevor Caesar ihn in die Finger bekommt und überreden kann, seine Meinung wieder zu ändern.«
Und so saß ich einige Stunden später gegenüber dem einen und neben dem anderen Konsul und versuchte, während wir über die Via Latina in Richtung Rom rumpelten, die Bedingungen ihres Abkommens niederzuschreiben. Eine Abordnung Liktoren ritt vor uns her. Antonius Hybrida
zückte regelmäßig eine kleine Flasche Wein, trank daraus und bot auch Cicero mit zittriger Hand gelegentlich einen Schluck an, der jedoch immer höflich ablehnte. Ich war zum ersten Mal für längere Zeit auf so engem Raum mit Hybrida zusammen. Seine ehedem edle Nase war rot und zerquetscht – im Schlachtengetümmel gebrochen, wie er behauptete, obwohl jeder wusste, dass das bei einer Wirtshausschlägerei passiert war. Seine Wangen glänzten violett, und sein Atem roch so stark nach Alkohol, dass ich allein davon schwindelig zu werden glaubte. Armes Macedonia, dachte ich, solch eine Kreatur als Statthalter. Cicero schlug vor, dass sie einfach die Provinzen tauschen sollten, dann brauchten sie die Angelegenheit nicht dem Senat zur Abstimmung vorzulegen. »Wie du willst«, sagte Hybrida. »Du bist der Anwalt.« Als Gegenleistung für Macedonia verpflichtete sich
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