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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Rufus. Er ließ ihn in sein Haus kommen und entschuldigte sich zunächst für sein grobes Benehmen neulich nach der Abendgesellschaft. »Du musst das verstehen, mein lieber Rufus.« Die beiden spazierten durch das Atrium, wobei Cicero seinem Gast den Arm um die Schultern gelegt hatte. »Das ist eine der Schwächen der Alten, dass sie die Jungen immer nur so sehen, wie sie früher waren, und nie das, was aus ihnen geworden ist. Ich habe dich behandelt wie den jungen Rabauken, als der du vor drei Jahren in mein Haus gekommen bist, obwohl du inzwischen ein Mann von knapp zwanzig Jahren geworden bist, der seinen Weg in der Welt macht und größeren Respekt verdient. Ich entschuldige mich aufrichtig für jede Beleidigung und hoffe, du trägst mir nichts nach.«
    »Es war meine Schuld«, sagte Rufus. »Ich werde dir nicht vorgaukeln, dass ich mit deiner Politik einverstanden bin. Aber meine Liebe und Achtung für dich ist unerschütterlich.
Ich werde mich nicht mehr hinreißen lassen, schlecht über dich zu denken.«
    »Guter Junge.« Cicero zwickte ihn in die Wange. »Hast du das gehört, Tiro? Er liebt mich! Du kämst also nie auf den Gedanken, mich zu töten?«
    »Dich zu töten? Natürlich nicht! Wie kommst du nur auf so eine Idee?«
    »Es gibt Menschen, die deine politischen Ansichten teilen, die haben darüber geredet, mich zu ermorden – Catilina, um nur einen zu nennen.« Und dann erzählte er Rufus von dem Mord an Hybridas Sklaven und dem entsetzlichen Eid, den Catilina seine Verbündeten hatte schwören lassen.
    »Bist du dir da sicher?«, fragte Rufus. »In meiner Gegenwart jedenfalls hat er nie darüber gesprochen.«
    »Nun, es steht außer Zweifel, dass er von seiner Absicht gesprochen hat, mich zu töten – Hybrida hat mir das bestätigt. Und sollte er es jemals wieder tun, dann wüsste ich es zu schätzen, wenn du mich warnst.«
    »Ah, verstehe«, sagte Rufus und schaute Ciceros Hand auf seiner Schulter an. »Deshalb hast du mich kommen lassen, weil du mich als Spion brauchst.«
    »Nicht als Spion, als loyalen Bürger. Oder ist unsere Republik so weit heruntergekommen, dass Freundschaft mehr zählt als die Ermordung eines Konsuls?«
    »Ich würde weder einen Konsul töten noch einen Freund betrügen«, sagte Rufus und löste sich aus Ciceros Umarmung. »Deshalb bin ich froh darüber, dass kein Schatten mehr auf unserer Freundschaft lastet.«
    »Die Antwort eines exzellenten Anwalts. Mein Unterricht hat offenbar besser angeschlagen, als ich dachte.«
    Nachdem er gegangen war, sagte Cicero nachdenklich: »Unser junger Mann wird auf dem schnellsten Weg zu Catilina laufen und ihm jedes meiner Worte berichten.« Eine möglicherweise zutreffende Einschätzung, denn seit jenem
Tag hielt sich Rufus von Cicero fern, wurde aber andererseits oft in Catilinas Gesellschaft gesehen. Es handelte sich um eine ungleiche Bande, der er sich da angeschlossen hatte: junge Heißsporne wie Gaius Cornelius Cethegus, die aus adeligem Haus stammten und immer auf Streit aus waren; alternde, lasterhafte Adelige wie Marcus Porcius Laeca und Publius Autronius Paetus, deren öffentliche Karrieren an privaten Lastern gescheitert waren; aufrührerische Exsoldaten, die von Unruhestiftern wie Gaius Manlius angeführt wurden, der Centurio unter Sulla gewesen war. Was sie verband, war Loyalität gegenüber Catilina – der von gewinnendem Wesen sein konnte, wenn er nicht gerade vorhatte, einen umzubringen – und der Wunsch, die herrschenden Verhältnisse in Rom zu zerschlagen. Zweimal hatten sie bei Volksversammlungen, bei denen Cicero gegen Rullus’ Gesetz Stellung bezogen hatte, durch permanentes Johlen und Pfeifen gestört, und so war ich froh, dass Atticus Vorkehrungen zu Ciceros Schutz getroffen hatte, besonders weil die Affäre um Rabirius sich nun immer mehr aufschaukelte.
    Rullus’ Gesetz, Rabirius’ Prozess, Catilinas Morddrohung – man darf nicht vergessen, dass Cicero sich um alle drei Brandherde gleichzeitig und dazu auch noch um die allgemeinen Senatsgeschäfte kümmern musste. Meiner Meinung nach betrachten Historiker die Politik zu wenig unter diesem Aspekt. Vor der Tür eines Staatsmannes stellen sich die Probleme nicht in Reih und Glied an und warten darauf, nacheinander abgearbeitet zu werden, Kapitel um Kapitel, wie uns die Geschichtsbücher immer weismachen wollen. Stattdessen drängeln sie sich alle auf einmal vor der Tür und verlangen nach gleichzeitiger Aufmerksamkeit. Zum Beispiel waren erst wenige Stunden

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