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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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werden mussten. Aber woher kam das Geld? Alle sagten, es könne nur von Crassus stammen. Aber selbst Crassus wäre gewiss zurückgeschreckt bei den zwanzig Millionen – zwanzig Millionen! –, die Caesar nach den Gerüchten an die Stimmenkäufer ausgeteilt haben soll. Wie viel auch immer er ausgegeben hatte, als an den Iden des März abgestimmt wurde, war sich Caesar sicher darüber im Klaren, dass eine Niederlage seinen Ruin bedeutet hätte. Wenn seine Karriere jetzt ins Stocken geraten wäre, hätte er eine so große Summe nie zurückzahlen können. Demütigung, Schmach, Exil, vielleicht sogar Selbstmord – mehr
wäre ihm nicht geblieben. Das ist auch der Grund, warum ich dazu neige, jener berühmten Geschichte Glauben zu schenken, die davon erzählt, wie er am Morgen der Abstimmung, als er sein kleines Haus in Subura verließ, um zum Marsfeld zu gehen, seine Mutter zum Abschied küsste und ihr sagte, er werde entweder als Pontifex Maximus zurückkehren oder er werde gar nicht mehr zurückkehren.
    Die Abstimmung dauerte fast den ganzen Tag, und es gehört zu jenen ironischen Begebenheiten, von denen es in der Politik nur so wimmelt, dass Cicero als im März wieder ranghöchster Amtsträger das Ergebnis verkünden musste. Es war einer der ersten Tage des Frühlings, und hinter dem Janiculum war gerade die Sonne untergegangen. Quer über den Himmel zogen sich rote, lila und purpurne Streifen, die wie Blut aussahen, das durch einen aufgeweichten Verband sickerte. Cicero verlas mit monotoner Stimme die einzelnen Ergebnisse. Von den siebzehn Wahlbezirken hatte Isauricus vier gewonnen, Catulus sechs und Caesar sieben. Knapper hätte es kaum ausgehen können. Als Cicero das Podium verließ, war ihm offensichtlich speiübel, während der Sieger den Kopf zurückwarf und die Hände gen Himmel reckte. Er war fast irre vor Freude – was man ihm nicht verdenken konnte, war er doch nun, komme was da wolle, Pontifex Maximus auf Lebenszeit mit einem repräsentativen Amtssitz in der Via Sacra und hatte in den innersten Zirkeln des Staates ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Meiner Meinung nach hatte alles, was später in Caesars Leben geschah, seinen Ursprung in diesem erstaunlichen Sieg. Die wahnwitzige Ausgabe von zwanzig Millionen entpuppte sich als das beste Geschäft in der Geschichte: Er bekam den ganzen Erdkreis dafür.

KAPITEL V
    V on da an betrachteten die Menschen Caesar mit anderen Augen. Isauricus nahm die Niederlage mit dem Stoizismus des alten Soldaten, aber Catulus – der sein Herz an das höchste Priesteramt gehängt und es als Krönung seiner Karriere gesehen hatte – erholte sich nie völlig von dem Schlag. Am nächsten Tag prangerte er seinen Rivalen im Senat an. »Von nun an arbeitest du nicht mehr im Verborgenen, Caesar!«, rief er wutentbrannt, wobei der Speichel auf seinen Lippen glänzte. »Deine Geschütze stehen jetzt auf offenem Feld, und ihr Ziel ist die Erbeutung des Staates!« Caesars Reaktion war ein Lächeln. Cicero war zwiegespalten. Er stimmte mit Catulus überein, dass Caesars rücksichtsloser und unmäßiger Ehrgeiz eines Tages zur Bedrohung für die Republik werden könne. »Andererseits«, sagte er nachdenklich zu mir, »wenn ich sehe, wie akkurat sein Haar gekämmt ist und wie er mit einem Finger seinen Scheitel in Ordnung bringt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er etwas derart Wahnwitziges wie die Zerstörung der römischen Verfassung plant.«
    Da Cicero davon ausging, dass Caesar für den Augenblick das meiste von dem erreicht hatte, was er wollte, und darauf zählte, dass alles andere – ein Prätoriat, das Konsulat, ein Kommando über eine Armee – sich schon zu passender Zeit ergeben werde, beschloss er, dass die Zeit reif sei, ihn in
die Führung des Senats einzubinden. Zum Beispiel hielt er es für unziemlich, dem Oberhaupt der Staatsreligion zuzumuten, wie ein Hinterbänkler immer aufspringen zu müssen, um bei Debatten vom Konsul aufgerufen zu werden. Deshalb fasste er den Entschluss, Caesar früh das Rederecht zu erteilen, gleich nach den Prätoren. Allerdings stürzte er sich mit dieser versöhnlichen Methode umgehend in eine neue politische Verlegenheit – eine, die das ganze Ausmaß von Caesars Durchtriebenheit zeigte. Dies spielte sich folgendermaßen ab:
    Gleich nach Caesars Wahl – höchstens drei oder vier Tage später – tagte der Senat unter Vorsitz Ciceros, als plötzlich am anderen Ende der Kammer jemand losbrüllte. Eine bizarre Erscheinung

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