02 Titan
Feldzug vor Ort belassen solle. Natürlich, wenn er nach so vielen Jahren des Dienstes die Bürde des Oberbefehls niederlegen wolle, jeder in Rom würde dies verstehen und seinen bedeutenden Sohn auf das Herzlichste …«
»Du kannst vorschlagen, was immer du willst«, fiel Nepos ihm ins Wort. »Nur dass ich die Botschaft nicht überbringen werde. Ich bleibe in Rom. Pompeius hat mich aus dem Militärdienst entlassen, und es ist meine Absicht, mich um das Amt eines Volkstribuns zu bewerben. Und nun bitte ich euch, mich zu entschuldigen, es wartet Arbeit auf mich.«
Der junge Offizier stolzierte aus dem Senatsgebäude, und Isauricus schaute ihm fluchend hinterher. »Wenn sein Vater noch lebte, hätte er sich nicht getraut, so mit uns zu reden. Was für eine Generation haben wir da in die Welt gesetzt?«
»Und wenn schon ein Frischling wie Nepos so mit uns redet«, sagte Curio, »dann könnt ihr euch vorstellen, was sein Herr und Meister mit vierzigtausend Legionären im Rücken für einen Ton anschlägt.«
»Herr über Land und Meer«, brummte Cicero. »Schätze, wir sollten dankbar sein, dass er uns wenigstens die Luft gelassen hat.« Das sorgte für ein paar Lacher. »Ich frage mich, welche dringlichen Angelegenheiten für Nepos wichtiger sind, als mit uns zu reden.« Er machte mir Zeichen, zu ihm zu kommen. »Lauf ihm hinterher, Tiro. Mal sehen, wo er hinwill«, flüsterte er mir ins Ohr.
Ich eilte durch den Gang und erreichte die Tür gerade
rechtzeitig, um zu sehen, wie Nepos mit seinem Dienergefolge das Forum in Richtung Rostra überquerte. Es war etwa die achte Stunde des Tages, auf den Straßen herrschte also noch reger Betrieb, so dass ich ihm im Schutz der Menge problemlos folgen konnte – allerdings gehörte Nepos auch nicht gerade zu dem Menschenschlag, der sich dauernd umschaute. Sein kleiner Tross ging am Tempel des Castor vorbei. Glücklicherweise hielt ich mich dicht hinter ihm, denn kurz nach dem Einbiegen in die Via Sacra war er plötzlich verschwunden, und ich begriff, dass er den offiziellen Amtssitz des Pontifex Maximus betreten hatte.
Mein erster Gedanke war, mit der Neuigkeit zu Cicero zurückzulaufen, doch dann hatte ich eine schlauere Idee und wartete noch. Gegenüber dem herrschaftlichen Haus befanden sich mehrere Geschäfte nebeneinander, ich ging in einen Juwelierladen, tat so, als betrachtete ich die Auslagen, und behielt dabei mit einem Auge immer den Eingang zu Caesars Haus im Blick. Ich sah, wie in einer Sänfte seine Mutter eintraf und wie danach seine Frau, sehr jung und wunderschön, das Haus verließ, ebenfalls in einer Sänfte. Verschiedene Personen kamen und gingen, aber niemand, den ich kannte. Nach etwa einer Stunde erklärte mir der ungeduldige Ladenbesitzer, dass er jetzt schließen wolle, und geleitete mich genau in dem Augenblick auf die Straße, als Crassus mit seinem unverwechselbaren Glatzkopf aus einer kleinen Kutsche stieg und eilig in Caesars Haus ging. Ich wartete noch eine Zeit lang auf der Straße, aber es tauchte niemand mehr auf, und so beschloss ich, mein Glück nicht überzustrapazieren, und ging, um Cicero die Neuigkeiten zu überbringen.
Er hatte den Senat inzwischen verlassen, war nach Hause zurückgekehrt und arbeitete seine Korrespondenz ab. »Nun, damit ist zumindest ein Geheimnis gelüftet«, sagte er, nachdem ich ihm alles berichtet hatte. »Wir wissen jetzt, woher
Caesar die zwanzig Millionen hatte, um sich sein Amt zu kaufen. Nicht alles von Crassus. Einen großen Teil davon hat wohl auch unser ›Herr über Land und Meer‹ beigesteuert.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verfiel in tiefe Grübelei, denn, wie er mir später erzählte, »wenn sich der erste General, der erste Geldverleiher und der erste Priester im Staat zusammensetzen, dann wird es für ehrliche Menschen höchste Zeit, auf der Hut zu sein«.
Etwa um diese Zeit begann Terentia eine wichtige Rolle in Ciceros Konsulat zu spielen. Die Leute fragten sich oft, warum Cicero nach fünfzehn Jahren noch mit ihr verheiratet war, denn sie war übermäßig fromm, war nicht sonderlich schön und hatte noch weniger Charme. Aber sie war mit etwas Seltenerem ausgestattet: Sie hatte Charakter. Sie flößte Respekt ein, und im Lauf der Jahre suchte Cicero immer öfter ihren Rat. Sie interessierte sich nicht für Philosophie oder Literatur, wusste nichts von Geschichte; tatsächlich verfügte sie kaum über Wissen irgendwelcher Art. Allerdings besaß sie die seltene Gabe, ein Problem
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