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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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haben die meisten von uns ihr Heim und wir alle unseren Ruf und unser Eigentum verloren.« Er forderte, dass jede in Silbergeld geschuldete Summe (fast alle Schulden waren in Silber) in Kupfergeld zurückgezahlt werden könne: Das entsprach einer Reduzierung der
Schulden um drei Viertel. Cicero schlug eine scharfe Erwiderung mit dem Inhalt vor, dass es keine Verhandlungen geben könne, bevor die Rebellen nicht ihre Waffen niedergelegt hätten. Im Senat wurde der Antrag angenommen, doch in der Bevölkerung vertraten unter der Hand viele die Meinung, dass die Sache der Rebellen gerecht sei.
    Der Oktober ging in den November über, die Tage wurden dunkel und grau, und unter den Menschen Roms machten sich zunehmend Überdruss und Depression breit. Die Sperrstunde hatte vielen der Vergnügungen, mit denen sie normalerweise den Trübsinn des Winters bekämpften, ein Ende bereitet. Die Tavernen und Badehäuser schlossen früh, die Geschäfte waren leer. Informanten, die gierig auf die hohen Belohnungen für die Denunzierung von Verrätern waren, ergriffen die Gelegenheit, um alte Rechnungen mit ihren Nachbarn zu begleichen. Jeder verdächtigte jeden. Die Lage wurde so ernst, dass Atticus es schließlich tapfer auf sich nahm, das Thema bei Cicero anzusprechen.
    »Manche Bürger behaupten, dass du die Bedrohung vorsätzlich aufbauschst«, sagte er mit warnendem Unterton zu seinem Freund.
    »Warum sollte ich so was tun? Glauben die, es macht mir Spaß, Rom in einen Kerker zu verwandeln, in dem ich der am schärfsten bewachte Häftling bin?«
    »Nein, aber sie glauben, dass Catilina für dich zur Obsession geworden ist, dass du jedes Gespür für Verhältnismäßigkeit verloren hast, dass die Sorge um deine eigene Sicherheit ihr Leben unerträglich macht.«
    »Sonst noch was?«
    »Sie glauben, dass du dich wie ein Diktator aufführst.«
    »Ach, wirklich?«
    »Und sie sagen, dass du ein Feigling bist.«
    »Wenn sie das wirklich glauben, dann zum Teufel mit dem
Volk!«, rief Cicero aus, und zum ersten Mal erlebte ich, dass er Atticus kühl abfertigte und sich weigerte, auf dessen Gesprächsversuche mit mehr als nur einsilbigen Floskeln zu antworten. Als Atticus schließlich genug von dieser frostigen Atmosphäre hatte, schaute er mich an, verdrehte die Augen und ging wieder.
    Am späten Abend des sechsten Novembers, die Liktoren hatten schon lange das Haus verlassen, saß Cicero mit Terentia und Quintus im Speisezimmer zusammen. Er hatte Botschaften von Amtsträgern aus ganz Italien gelesen, und ich reichte ihm gerade ein paar Briefe zur Unterschrift, als Sargon wild zu bellen anfing. Der Krach ließ uns alle zusammenfahren, unser aller Nerven hingen in jenen Tagen schon in Fetzen. Die drei Leibwächter von Cicero waren sofort auf den Beinen. Wir hörten, wie die Haustür geöffnet wurde und eine energische männliche Stimme um Einlass bat, und im nächsten Augenblick betrat mit kräftigen Schritten Ciceros ehemaliger Schüler Rufus den Raum. Es war sein erster Besuch seit Monaten, der für uns umso überraschender war, da Rufus Anfang des Jahres zu Catilina übergelaufen war. Quintus sprang kampfbereit auf.
    »Rufus«, sagte Cicero mit ruhiger Stimme, »ich dachte, du wärst uns in diesen Tagen zum Fremden geworden.«
    »Ich werde nie ein Fremder für dich sein.«
    Er machte einen Schritt vorwärts, aber Quintus legte ihm die Hand auf die Brust und hielt ihn auf. »Arme hoch!«, befahl er und nickte den Leibwächtern zu. Rufus hob hastig die Arme, und Titus Sixtus tastete ihn ab. »Ich glaube, er ist nur gekommen, um uns auszuspionieren«, sagte Quintus, der nie viel von Rufus gehalten hatte und mich oft nach meiner Meinung fragte, warum sein Bruder einen solchen Rabauken um sich dulde.
    »Ich will nicht spionieren. Ich bin gekommen, um dich zu warnen: Catilina ist wieder da.«
    Cicero schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich hab’s gewusst! Nimm die Hände runter, Rufus. Seit wann?«
    »Seit heute Abend.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Im Haus von Marcus Laeca, in der Gasse der Sichelmacher.«
    »Wer ist bei ihm?«
    »Sura, Cethegus, Bestia – die ganze Bande. Ich komme gerade von da.«
    »Und?«
    »Sie werden dich bei Sonnenaufgang töten.«
    Terentia schlug die Hand vor den Mund.
    »Wie?«, fragte Quintus.
    »Zwei Männer, Vargunteius und Cornelius, werden dich bei Tagesanbruch aufsuchen, dir ihre Treue schwören und behaupten, sie hätten sich von Catilina abgewandt. Sie werden Waffen tragen. Sie werden von anderen

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